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Neapel und Kampanien in der Literatur

Roger Peyrefitte im Friedhof Fontanelle

„Als ich das erste Mal die Katakomben von S. Gennaro besuchen wollte, wandte ich mich, an einer Kreuzung plötzlich meines Weges nicht mehr sicher, an einen freundlich blickenden Passanten. Er wies mir eine Richtung, die offensichtlich nicht stimmen konnte. “Sie liegen nicht dort?” fragte ich und zeigte in die andere Richtung. “Ah”, meinte er, “die Katakomben von S. Gennaro! Ich dachte, Sie wollten zu den wahren Katakomben!” Sogleich versuchte ich, Genaueres über diese unerwartete Auskunft zu erfahren; dann bat ich S. Gennaro um Verzeihung und begab mich zu den “wahren Katakomben”…

Ich ging in einem Zug von Frauen und Mädchen, die Laternen trugen, deren Lichter noch nicht angezündet waren. Händler verkauften sie am Wegrand. Die Gesichter waren feierlich: Man spürte, daß diese Lampions nicht für fröhliche Zwecke bestimmt waren. Am Ende der Prozession tauchte die Kirche auf, das Ziel unserer Prozession. Von dort gelangte man in die Katakomben…

Aufgereihte Schaedel im Friedhof Fontanelle in Neapel

Hinter einer Nische bot sich mir ein Schauspiel dar, das mich sofort gefangennahm. Es glich weder den aufgeschichteten Mumien der Kapuzinergruft in Palermo noch den zierlichen Knöchelchen, die in der römischen Kapuzinerkirche der Unbefleckten Empfängnis die feinsten Arabesken bilden. In zwei breiten Gängen von etwa zehn Metern Höhe und hundert Meter Tiefe reihten sich Tausende von Totenschädeln aneinander und allerlei andere Knochenteile, die von unzähligen Laternen erleuchtet wurden. Schwarze Holzkreuze hoben sich in kalkweisser Umrahmung von den Wänden ab. Inmitten dieses makabren Dekors, ein wenig erhellt vom Lichteinfall der Maueröffnungen, irrten die Menschen wie Schatten umher, knieten nieder, beteten.

…Die Knochenhaufen, die sich längs der Gänge auf einer Art Gehsteig stapeln, sind nicht sehr hoch. In einem der Gänge jedoch hat man vor der Wand einen Triumphbogen errichtet – den Triumphbogen des Todes. Dieser Todesfries ist umgeben von einem Blumenmeer. Manche Knochen sind in Glaskästchen eingeschloßen. Mitunter krönt eine Laterne einen Schädel wie der Heilige Geist den Kopf der Apostel. Manchmal sind Lichter im Innern der Schädel, was ihnen einen diabolischen Ausdruck verleiht.

Im ersten, von einem Altar geteilten Gang steht eine Krippe. Es ist tatsächlich eine rührende Idee, daß man zum Bild des Todes jenes von Hoffnung und Leben gesellte. Die Figuren der Krippe sind menschengroß und bilden das Pendant zu einem pathetischen Christus am Eingang. Hinter diesem Altar, der den letzten Teil des Ganges verbirgt, spielte sich eine seltsame Szene ab: Eine Gruppe von Frauen drängte einen Mann, der vor drei großen, im Boden verankerten Kreuzen gestikulierte, er solle Gebete vortragen. Hier, am Fuße dieses Kalvarienbergs, zelebrierte man den wahren Totenkult.

Lebensgrosse Krippe im Fontanelle Friedhof

Dieser Kult hatte im übrigen nichts von Tragik oder Magie. Der “Vorbeter”, ein junger Mann, dessen Stimme man ebenso einem Prediger wie einem neapolitanischen Sänger zuschreiben konnte, war voller Lebenslust. Er verrichtete seine beinahe rituelle Arbeit noch mit echter Hingabe: Wer ein Gebet bei ihm bestellen wollte, setzte sich auf ein kleines Bänkchen neben ihm, als sollte ein Orakel befragt werden. Anfangs rührte er sich nicht, dann, ganz allmählich, gerieten Kopf und Arme in Bewegung, und sein Rosenkranz bimmelte wie ein Glöckchen. Ein Pater Noster und ein Ave Maria leiteten das Gebet ein; es folgte eine Reihe ganz persönlicher Anrufungen und Formeln: “Teure Geister, teure Tote, erbarmt Euch unser! Wir bitten Euch um den Segen für Arbeit, Beruf und Geschäft. Wir sind nicht anspruchsvoll: Wir bitten um nichts als Brot und Zwiebeln.” Pane e cipolla waren sein panem et circenses. Seine Stimme erbebte in einem leichten Tremolo, was den Zuhörer zumindest innerlich erheitern und die “teuren Geister” im Jenseits erweichen sollte. Aber auch anderes gehörte zu den Aufgaben des Mannes: Gegen zusätzliche Spenden segnete er neuerworbene Totenschädel…

Doch Rechte fordern Pflichten. Eine Frau, die ihren Schädel nicht fand, bat, ganz außer sich, den “Vorbeter” um Hilfe. “Es ist ein gelber stark leuchtender Schädel”, sagte sie. Beide machten sich auf die Suche. “Da haben wir ihn”, rief der “Vorbeter” triumphierend und kramte das verlorene Objekt hervor. Er hielt ihn der Besitzerin hin, gab gratis seinen Segen und kehrte zu seinen Kunden zurück. Doch mit welcher Liebe umsorgte die Frau ihren ersehnten Schädel. Sie pustete den Staub von ihm, polierte ihn mit dem Taschentuch, küßte und liebkoste ihn, setzte ihn dann behutsam auf ein Kissen, das sie mitgebracht hatte, und zündete mehrere Lichter davor an.

Die Wahl eines Schädels wird nicht leichtgenommen: Suchenden Auges schlendert man langsam durch die Gänge, an den traurigen Knochenresten entlang. Plötzlich bleibt man stehen, bückt sich und greift einen Totenschädel heraus, auf dem noch kein Name zu lesen ist. Man beschaut ihn von allen Seiten, um Festigkeit und Resonanz zu prüfen. Dann dreht und wendet man ihn, betastet, wiegt und beschnuppert ihn, als handle es sich um eine Melone. Schließlich folgt die Zeremonie der Reinigung. Ich habe junge Frauen beobachtet, die ganz in hausfraulicher Manier vorgingen: Sie bürsteten und scheuerten ihren Schädel mit Alkohol und Ätznatron. Hatten sie ihn zweimal richtig eingerieben, glänzte er wie eine neue Münze. Ein Wächter mit Schirmmütze geht diese Gänge auf und ab, gibt Ratschläge und beschafft notwendiges Werkzeug. Ich hörte, wie er von einem ganz in schwarz gekleideten Mann gefragt wurde, ob er über einen Damenschädel verfügte. “Momentan ist kein einziger frei!” antwortete er. “Doch wir erwarten für morgen einige Skelette, da müßte etwas dabei sein.” Eben hatte er einer Frau bei ihrer Wahl beigestanden, als das kleine Mädchen, das mit ihr war, protestierte: “Mama, ich mag diesen Kopf nicht, ich will einen mit Zähnen.” Kinderschädel sind nicht zu finden. “Alle wollen einen” sagte der Wächter. “Ich habe mindestens zehn Vorbestellungen.“

Roger Peyrefitte, 1952

Roger Peyrefitte (geb. 1907 in Castres, gest. 2000 in Paris) war ein französischer Schriftsteller und Diplomat. Die Beschreibung des Kults, Totenschädel in Neapel und speziell im Fontanelle Friedhof in der Sanità zu adoptieren, wird mit vielen Details beschrieben. Auch heute findet man noch den Kirchenaltar mit Sitzbänken und einer Krippe im Hintergrund, umgeben von Totenschädeln. Der Kult der Adoption fand speziell während und nach dem zweiten Weltkrieg großen Anhang: den Schädel wurde die Rückkehr der Ehemänner erbeten, im Gegenzug betete man für einen Einzug der Seele des Schädels vom Fegefeuer in den Himmel. Das Pflegen und die Anfragen an den im Fontanelle Friedhof adoptierten Schädel veränderten sich aber auch im Laufe der Jahre, speziell in den schwierigen Zeiten der Nachkriegszeit wurde, wie in diesem Text zu lesen, auch nur ein wenig Brot und Zwiebeln erfragt. Der Kult wurde von der katholischen Kirche verboten und im Fontanelle Friedhof illegalerweise weitergeführt. Der Hinweis auf Vorbestellungen von Kinderschädeln, unschuldige Wesen und daher sehr beliebt, weist auf einen recht starke Verbreitung des Kults im neapolitanischen Volk zu Anfang der fünfziger Jahre hin.

Weitere Berichte und Zitate über Neapel und die Region findet ihr in meinem Blog.

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Die Geschichte Kampaniens und Neapels

Die Seerepublik von Amalfi

Die Seerepublik von Amalfi ist die erste und über 200 Jahre lang wohl die bedeutendste Seerepublik Italiens. Der Begriff “Seerepublik” entstammt einer Definition aus dem 19. Jahrhundert, mit der die wichtigsten italienischen Städte benannt werden, die durch den Handel über dem Meer zu großem Reichtum und politischer Autonomie gekommen sind. Neben Amalfi waren zum Beispiel auch Venedig, Genua und Pisa mächtige Seerepubliken. Die vier Wappen der Seerepubliken formen heute die Fahne der italienischen Marine.

Der Ursprung von Amalfi

Die Gründung der Stadt Amalfi ist wahrscheinlich mit der Funktion einer Festungsanlage innerhalb der byzanthinischen Verteidigungsstruktur verbunden, die gefährliche langobardische Angriffe abhalten sollte. In der alten defensiven Struktur entwickelt sich erst ab dem 6. Jahrhundert langsam eine selbstständige Bürgerschaft.

Blick auf Atrani, charakteristischer Nachbarsort von Amalfi
Die Aufstieg der Handelsmarine

Eine intensivere Entwicklung von Amalfi ist ab der Mitte des 8. Jahrhunderts sichtbar: eine etwa 70 Jahre dauernde Pause der sarazenischen Übergriffe erwirkt eine Verstärkung der Handelsroute von Sizilien und dem muslimischen Afrika zur Küste Kampaniens. Durch die Lage am steilen Hang und dem verbundenen Mangel an Ackerland, dafür aber gut geschützt gelegen, ist das Glück Amalfis fast zwangsläufig mit der Marine und dem Handel verbunden. Zu dieser Zeit ist Amalfi noch vom Herzogtum von Neapel abhängig, erreicht aber mittlerweile eine ebenbürtige Wichtigkeit, die auch durch den allgemeinen wirtschaftlichen Wachstum der kampanischen Küste und des Mittelmeerraumes verstärkt wird. In Neapel legen viele amalfitanische Schiffe an und verschiedene Straßen werden von amalfitanischen Stoffhändlern bewohnt. In Kampanien haben amalfitanische Handelskolonien auch in Capua und Benevent einen Sitz, im Sūden Italiens ebenfalls in Palermo, Messina, Reggio Calabria als auch in verschiedenen Hafenstädten Apuliens wie zum Beispiel Trani.

Die Unabhängigkeit von Neapel

Amalfi schafft es ihre politische und militärische Autonomie durch die Abwehr der langobardischen Angriffe zu wahren. Von 783 bis 785 wird Amalfi vom beneventanischen Fürst Arich II belagert und erst duch die Hilfe des Herzogtums von Neapel befreit. Erst 839 wird Amalfi von den Langobarden durch Sichard besiegt und ein Teil der Bevölkerung nach Salerno deportiert, durch eine Ribellion befreit sich Amalfi jedoch im selben Jahr und erreicht seitdem faktisch zum ersten Mal eine Unabhängigkeit vom Herzogtum von Neapel. Die überlegene sarazenische Handelsmarine kontrolliert in dieser Epoche den Mittelmeerraum. Nur Venedig und Amalfi bleiben zu jener Zeit noch durch Handel auf dem Mittelmeer aktiv: Venedig durch den Direktkontakt mit Konstantinopel über das adriatische und ionische Meer, während die Seerepublik von Amalfi für die Handelsmarine der islamischen Welt der letzte christliche Haupthafen darstellt.

Ein im orientalischen Stil nachgebautes Hotel in Amalfi
Die Entwicklung des Handels

Im Laufe des 9. Jahrhunderts emanzipiert sich die Seerepublik von Amalfi von der Abhängigkeit vom Herzogtum von Neapel. Eigene Komitees und Präfekte werden ernannt, die zu Mitte des 10. Jahrhunderts durch einen Herzog ersetzt werden. In diesen schwierigen Zeiten schafft es Amalfi sich ein Gleichgewicht zwischen Langobarden und Sarazenen sowie byzanthinischen und fränkischen Kaisern zu schaffen sowie eine Autonomie zu wahren. In diesem schwierigen Kontext entwickelt sich der amalfitanische Handel und die Marine erreicht im 9. Jahrhundert den Vatikanstaat, Sizilien und Tarent und im 10. Jahrhundert die wichtigsten Häfen des östlichen Mittelmeers. Zudem wurden durch die Prefetturi Mühlen betrieben, um den Profit aus dem Getreidehandel noch zu steigern. In dieser Zeit wird die Seerepublik von Amalfi durch den strategisch gelegenen Handelshafen ein Treffpunkt der italischen, byzanthinischen und arabischen Welt. Amalfi entwickelt sich zu einer der wenigen im Orient bekannten Städte Italiens des 10. Jahrhunderts.

Vermittlung und Handelskolonnien

Durch die relativ geringe Größe des Herzogtums und des damit verbundene Mangels an eigenen Exportprodukten, basiert sich Amalfis Handelsglück auf die eingenommene Vermittlerrolle. Nach Nordafrika wird europäisches Holz, Getreide und Eisen geliefert, im Gegensatz werden Seidenstoffe, Medizinalien, Luxusgüter und weitere Produkte aus der arabischen und byzantinischen Welt nach Amalfi gebracht. Die Händler Amalfis bewegen sich entlang der tyrrhenischen Küste, nach Norditalien, bis ins adriatische Meer mit Sitzen in Ravenna und Durrës. Dank eines Paktes mit dem beneventanischen Fürsten Sichard aus dem Jahr 839 ist es den Amalfitanern möglich sich frei zu bewegen und somit auch Nordafrika zu erreichen, wo Handelskolonien mit eigenem Recht in Tunis, Alexandria, Kairo, Tyros und Konstantinopel errichtet werden. Noch vor Pisa und Venedig erhält Amalfi für seine Händler in Konstantinopel Baugrund, Lagerräume, eine Kirche und einen Friedhof.

Das Territorium der Seerepublik von Amalfi

Der Wohlstand und die politische Relevanz der Seerepublik von Amalfi steigert sich erheblich. Ibn Hawqal, ein wichtiger Händler aus Baghdad, besucht Amalfi im Jahre 972 und beschreibt sie als wohlhabendste Stadt der Longobardia und mittlerweile wichtiger als Neapel. Zu ihrer Glanzzeit erreicht die Seerepublik von Amalfi eine territoriale Ausbreitung von Cetara bis Positano inklusive der Insel Capri, sowie einen bedeutenden Teil des Lattari-Gebirges mit den Schlössern von Gragnano und Lettere nah der Grenze zum Herzogtum von Sorrent.

Papier und orientalische Elemente

Die Amalfitaner gehören zu den ersten, die die Verwendung des Kompasses im Westen verbreiten und eine neue Papierproduktion entwickeln, die schließlich das Pergament ablösen wird. Auf ihren Reisen im Orient lernen die Amalfitaner auch neue Kunstformen und Bautechniken, die den eigenen etwas kargen romanischen Stil mit byzanthinischen und arabischen Elementen bereichern und zur Geburt des “amalfitanischen Romanikstils” führen wird.

Die Verbreitung des Kompasses

Wegen einer Fehlinterpretation bei der Übersetzung eines Textes des Humanisten Flavio Biondo dachte man lange, daß der amalfitaner Flavio Gioia der Erfinder des Kompasses gewesen wäre. In Wirklichkeit hat ein Flavio Gioia wohl nie wirklich existiert, da der Kompass wahrscheinlich aus China eingeführt worden ist und die Amalfitaner dieses Instrument weiterentwickelt und den Brauch bei den europäischen Handelsmarinen verbreitet hätte.

Die Tabula de Amalpha

Klare Hinweise auf die wichtige Rolle der Frauen Amalfis und die Verhaltensregeln an Bord werden schließlich mit der Tabula de Amalpha im gesamten Mittelmerrraum verbreitet: die amalfitanischen Tafeln enthalten einen Teil in Lateinisch aus dem 10. Jahrhundert, während ein weiterer Teil im 13. Jahrhundert hinzugefügt wird. Die Tafeln geben klare Hinweise zu Notfällen wie Krankheiten oder Piratenangriffe, den Rechten und Pflichten der Seemänner sowie Hinweise zum Handel und wie man Betrugsversuche vermeiden kann. Der damals sehr innovative Text wird noch bis ins 16. Jahrhundert ein wichtiger Anhaltspunkt der internationalen Handelsmarinen bleiben.

Erhaltene Mosaikdekorationen – sichtbar im Dom von Amalfi
Bronzetüren aus Konstantinopel

Die amalfitanischen Händler im Orient erwirtschaften beachtliche Reichtümer. Unter ihnen war auch Pantaleone, ein kaiserlicher Patrizier, der im Jahr 1060 dem Dom von Amalfi und im Jahr 1071 der Abtei von Montecassino zwei in Byzanz gegossene Bronzetüren schenken wird und versucht mit Hilfe der kaiserlichen Macht die Gefahr der Normannen zu bekämpfen. Sein Sohn Mauro gründet währenddessen Altersheime in Jerusalem und Antakya.

Der Ursprung des Malteser-Ordens

Einige Jahre vor der Befreiung Jerusalems durch die Kreuzzüge im Jahr 1099 erhalten einige Händler und benedektinische Mönche unter dem Frate Gerardo Sasso da Scala um den vielen Pilgern Unterstützung geben zu können vom ägyptischen Kalifen die Erlaubnis nahe dem heiligen Grabmahl in Jerusalem ein Krankenhaus sowie eine Kirche mit dem Namen Santa Maria dei Latini zu errichten: dies ist der Ursprung des Johanniter-Ordens von Jerusalem, der schließlich nach Rhodos und Malta weiterziehen wird und bis heute das antike Stadtsymbol Amalfis mit dem weißen oder silbernen Kreuz mit acht Spitzen im Wappen trägt.

Der Verlust der Autonomie an die Normannen

In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts verschlechtert sich die Lage der Seerepublik von Amalfi, die sich wegen dem beständigen Druck der Langobarden im Jahr 1073 an Robert Guiskard, dem normanischen Grafen von Apulien wenden um ihn nach Schutz zu ersuchen. Der wirtschaftliche Niedergang der Stadt wurde 1082 besiegelt, als Venedig von Byzanz das Monopol für den Westhandel zugesprochen bekam. Ab diesem Zeitpunkt leidet Amalfi unter den Normannen und es entstehen über 50 Jahre lang gewalttätige Aufstände gegen die neue Besatzung, die endgültig von Roger II dem Normannen im Jahre 1131, nur einem Jahr nachdem er zum König von Sizilien gekürt wurde, niedergeschlagen werden.

Die Zerstörung Amalfis durch die Pisaner und Langobarden

Die Seerepublik von Amalfi bleibt zwar weiterhin ein Herzogtum mit Handelsprivilegien, doch nur vier Jahre später erreicht die pisanische Flotte, die langobardische Armee des Fürsten von Capua und weitere Feinde der Normannen mit 46 Kriegsschiffen die Amalfiküste um den historischen Rivalen Amalfi größtenteils zu zerstören. Seit einiger Zeit hatten die Pisaner eine Handelsloge in Neapel und ihren Handel mittlerweile bis Sizilien und in den Orient erweitert und waren somit offizielle Konkurrenten der Amalfitaner, während das Herzogtum von Neapel zu jener Zeit sich noch nicht den Normannen ergeben hatte. Amalfi und viele weitere Küstenstädte des Herzogtums werden heftig ausgeraubt. Nur zwei Jahre später greift die pisanische Marine erneut an: während sich Amalfi durch Gold freikaufen kann, werden Scala und Ravello drei Tage lang stark beschädigt und die lokale Wirtschaft erleidet einen harten Schlag von dem sie sich lange nicht erholen wird.

Weitere Infos finden Sie in meinem Blog zur Geschichte Neapels und Kampaniens

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Gastronomie in Kampanien

Das kaltgepresste Olivenöl der sorrentiner Halbinsel DOP

Die neben den Zitrusfrüchten am weitesten verbreiteten Pflanzungen der sorrentiner Halbinsel werden sicherlich durch die Olivenbäume dargestellt. Es handelt sich dabei um eine sehr widerstandsfähige Kultur, die sich den besonderen Charakteristiken bezüglich Struktur, Textur und Länge des Bodens hervorragend anpasst und sich von der Küste bis in eine Höhe von 400-500 Metern über dem Meeresspiegel erstreckt, um dann von Schlagwäldern aus Buchen und Kastanienbäumen abgelöst zu werden.

Die lokalen Olivenhaine

Auf diesem Gebiet kann man zwei homogene Territorien ausmachen: das erste umfasst Vico Equense und Massa Lubrense, wo die Olivenbäume in speziellen Kulturen angebaut werden und die Pflanzungen mäßige Entwicklungsdimensionen aufweisen; das zweite hingegen schließt Sorrent, Piano und Sant’Agnello ein, wo vor allem Mischkulturen mit Zitronen– und Orangenbäumen auftreten. In diesem letzten Fall kommt es dazu, daß die Kronen der Olivenbäume versuchen, über die Schutzlauben der Agrumen hinauszuwachsen, um mehr Licht aufnehmen zu können und dadurch Höhen von über 10 Metern erreichen. Die am weitesten verbreitete Kultur wird vom sogenannten Ölbaum verkörpert, der hierzulande auch “ogliarola” oder “minucciola” genannt wird. Andere Arten sind “rotondella”, “frantoio” und “leccino”.

Ein DOP-Öl

Die übermäßige Zergliederung der landwirtschaftlichen Produktion und die beschränkte Dimensionen der in diesem Gebiet bestehenden Ölmühlen haben es dem kaltgepressten Olivenöl der Sorrentiner Halbinsel noch nicht erlaubt, die kommerzielle Verbreitung zu erreichen, die es aufgrund der besonderen organoleptischen Charakteristiken verdienen würde. Trotzdem hat die europäische Union dem Öl das Prädikat für geschützten Ursprung (DOP) anerkannt.

Die sorrentiner Halbinsel: Artenvielfalt, Panoramen und Olivenhaine
Charakteristiken

Es handelt sich dabei um ein seltenes und unverfälschstes Öl. Das – wie es auch in den entsprechenden Produktionsbestimmungen festgelegt ist – ausschließlich nach der traditonellen Methode des “Kaltpressens” hergestellt werden darf. Es besteht nur aus Oliven, die von Hand und vor nicht mehr als zwei Tagen geerntet wurden; außerdem dürfen sie niemals von der Erde aufgehoben werden, damit 0,8% Säuregehalt und die maximale Ertragsmenge von 20% nicht überschritten werden. Seine Farbe ist goldgelb mit grünlichen Schattierungen und der Geschmack ist fruchtig und mild, der manchmal durch einen leichten und angenehm bitteren oder würzigen Einschlag verstärkt wird. Die Prüfung der Qualität vom Olivenöl der sorrentiner Halbinsel kann mittels einer einfachen und gesunden mediterranen Methode vorgenommen werden: traditionelle Gewohnheit der Bauern dieser Gegend ist es, ganz einfach ein bißchen Öl und eventuell eine Prise Salz auf ein Stück alsbackenes Brot “cafone” zu tröpfeln.

Die Verwendung in der Küche

Das Olivenöl der sorrentiner Halbinsel passt ausgezeichnet zu gegrilltem Fisch und Gemüse, Salaten und der lokalen Tomate. Traditionell wird es auch zur Zubereitung des Zitronensalats genutzt, während die Verwendung vom Olivenöl der sorrentiner Halbinsel selbst für die Zubereitung der lokalen Desserts, wie dem Zitronensorbet oder der Delizia al Limone, nur von wenigen verwendet wird. Aber auch die Oliven, aus denen das Öl entsteht, sollten in einer der charakteristischen Zubereitungen der Halbinsel probiert werden: “al capetiello”, das heißt im Ofen gebacken oder “scamazzate”, also gepresst und dann im eigenen Öl, Oregano, Knoblauch und Pfefferschoten eingelegt.

Antiker Ursprung

Die Olivenbäume stammen ursprünglich aus Kleinasien und sollen sich danach in verschiedenen Mittelmeerländern verbreitet haben. Die sorrentiner Halbinsel war eines der ersten Territorien und seine Geschichte soll sogar auf die Zeiten zurückgehen, in denen das gesamte Gebiet der Göttin Minerva geweht war. Er scheint erwiesen zu sein, daß die Pilgerer zur Göttin der Weisheit gingen, um ihr ein Gelübde abzulegen, indem sie ihr im Tempel, der von den Einwohnern von Phokäa auf dem heutigen Gebiet von Massa Lubrense errichtet wurde, Öl opferten.

In Pompeji wurden Olivenkerne, Olivenbäume, darstellende Fresken, Amphoren für Oliven und Olivenöl aufgefunden. Die Ruinen der Villen beweisen, daß schon damals einige von ihnen für das Mahlen und die Eigenproduktion von Öl eingerichtet waren. Es scheint, daß zu diesem Zweck Ölpressen aus dem vesuvianischen Lavagestein des Monte Somma gebaut wurden, die bei den Ausgrabungen gefunden wurden und heute noch in den Läden des antiken Pompejis und im “Museum des Menschen” in Boscoreale zu sehen sind.

Das Produktionsgebiet

Das Produktionsgebiet vom Olivenöl der sorrentiner Halbinsel beinhaltet 13 Gemeinden der sorrentiner Halbinsel inklusive Capri und einem Teil von Castellammare di Stabia. Hier konzentriert sich mit 1500 Hektar und 4000 Betrieben circa drei Viertel der Olivenölproduktion der Provinz von Neapel. Die große Anzahl von Olivenhainen hat hier bis heute einen großen Einfluß auf das unverwechselbare Landschaftsbild, die Wirtschaft und die lokale Produktion.

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Totò und seine Berufung als Komiker

Erzählen ist nicht meine Sache. Ich bin ein stummer Komiker. Ich ging immer von zehnminütigen Szenen aus, die ich auf der Bühne improvisierte, so dass sie mitunter bis zu drei Viertelstunden dauerten. Man sagt, ich hätte ein trauriges Gesicht. Doch es ist nicht traurig, es ist einfach schief, denn ich hatte mir einmal das Nasenbein gebrochen. Mit diesem traurigen Gesicht belustigte ich viele, erntete echtes Lachen, und – ohne falsche Bescheidenheit – die Leute lachen noch heute. Ich werde euch den Grund verraten. Wahre Komik hat immer etwas Makabres und Tragisches. Meine Komik ist von dieser Art. Nichts reizt mehr zu Lachausbrüchen, ja ungehaltenen Anfällen tollen Gelächters als ein Begräbnis, das doch Schauspiel des Todes ist…

Totò mit Peppino di Filippo beim Espresso trinken

Alles, was ich bin, schulde ich Totò. Wenn ich ihm nicht eines Tages auf der Strasse begegnet wäre und ihn als meinen Freund fürs Leben erkannt hätte, Gott weiss, welchen Lauf mein Schicksal genommen hätte. Bin ich der Vetter von Pulcinella, der Enkel von Arlecchino? Ich habe es nie gewusst, obgleich in allen Tonarten über Totò geschrieben wurde. Gewiss ist, dass er ein sehr ernsthafter Spassmacher ist, der wie alle Spassmacher, die etwas auf sich halten, die Vernunft versteckt. Zusammen sind wir durch dick und dünn gegangen. Bei unserer ersten Begegnung beschwor er mich, keine Zeit zu verlieren, da ich genau das Gesicht hätte, das er suchte. Er prophezeite, dass ich ihn begleiten würde, da es unser Schicksal sei, eines Tages gemeinsam Hungers zu sterben. So war ich also der erste Zuschauer Totòs, mein eigener Zuschauer.

“Du wirst sehen, das Publikum wird uns am Ende ins Herz schliessen, denn wir werden ihm grosses Vergnügen bereiten”.

Antonio de Curtis (geb. 1898 in Neapel und gest. 1967 in Rom), unter dem Künstlernamen Totò bekannt, war ein neapolitanischer Künstler und vielleicht der beliebteste Komiker des italienischen 20. Jahrhunderts. Totò wächst im volkstümlichen neapolitanischen Stadtviertel Sanità auf und ist bereits als Schüler für seine mangelnde Lust am Lernen und seine Vorliebe für Imitationen bekannt. Innerhalb Italiens als “Prinz des Lachens” bekannt, nimmt er an fast 100 Kinofilmen, Tv-Sendungen und über 50 Theaterstücken teil. Sein Einfluss auf die italienische Kultur ist heute von vielen anerkannt worden.

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Hier ein Video mit einigen lustigen Szenen (leider nur auf italienisch):

https://www.youtube.com/watch?v=0ibMUyQZTs4

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Gastronomie in Kampanien

Die Weine aus Capri

Capri hätte grundsätzlich eine ganz außerordentliche Berufung zur Weinerzeugung. Leider wurde die Insel jedoch durch die übermässige Zerstückelung landwirtschaftlicher Gründe erheblich geprägt. Aufgrund Initiativen, die mit der Tourismusentwicklung in Verbindung stehen, musste sie in der Vergangenheit ausserdem die Abholzung vieler Weingelände und die mangelnde Stärkung der autochthonen Klonen in Kauf nehmen. Doch der mittlerweile jahrzehntelange überdauernde Turismus in Capri hat dem lokalen Wein andererseits auch in der Welt berühmt gemacht.

Geschützt seit 1977

Die von den Weinbauern an den Tag gelegte Anstrengung, ihre Weinberge auf den steil über dem Meer liegenden sonnigen Hochebenen, oft zusammen mit anderen Garten- oder Baumpflanzungen, zu pflegen, aber auch die Mühe der Weinerzeugungsbetriebe, die ihre Trauben für die Weinherstellung peinlich genau aussortieren, erlauben es heute noch, einen Wein zu produzieren, der ein würdiger Erbe des Weines ist, der vor zweitausend Jahren von Kaiser Tiberius schon geschätzt wurde und dem 1977 das Prädikat für kontrollierten Ursprung (DOC) verliehen wurde.

Weinernte der Cantina Scala Fenicia auf Capri
Der Rotwein aus Capri

Der Capri rosso DOC wird in Capri und Anacapri erzeugt und besteht aus mindestens 80% “Piedirosso” und der Rebsorte “Barbera” oder “Tintore”. Meist wird er ein Jahr in Eichenfässern gelagert: er hat eine ziemlich intensive rubinrote Farbe, ein angenehm duftbetontes Bukett und sein Geschmack ist trocken und würzig, hat aber auch einen charakteristischen bitteren Einschlag. Sein Gesamtalkoholgehalt darf nicht unter 11,5% liegen. Er ist ganz gut lagerfähig und wird bei Zimmertemperatur vorwiegend zu gekochten oder gegrillten Fleischgerichten oder würzigen Käsesorten serviert.

Der Weisswein aus Capri

Auch der Capri bianco DOC wird auf dem Gebiet der beiden capresischen Gemeinden erzeugt und aus den Trauben der Rebsorten “Greco” (50%), “Falanghina” (30%) und “Biancolella” oder “Santo Nicola” (20%) hergestellt. Er ist feurig strohfarben mit goldenen Refexen, hat ein charakteristisches und angenehmes Bukett und einen trockenen und frischen Geschmack, der vom leicht säuerlichen Einschlag stammt. Sein Alkoholgehalt liegt nie unter 11% und er wird ausschliesslich jung getrunken. Man serviert ihn mit einer Temperatur von 8-10 Grad als Aperitif oder zu leichten Vorspeisen aus Meeresfrüchten oder anderen Fischgerichten, die sein leichtes und delikates Bukett nicht überdecken. Gerne wird er auf Capri in den heissen Monaten auch zum Caprese-Salat, der Verbindung von Mozzarella und der lokalen sorrentiner Tomate, getrunken.

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