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Neapel und Kampanien in der Literatur

Walter Benjamin über die Handelslust der Neapolianer

“Von der verspielten Handelslust der Neapolitaner gibt es hübsche Geschichten. Auf einer belebten Piazza entgleitet einer dicken Frau ihr Fächer. Hilflos sieht sie sich um; selbst ihn aufzuheben, ist sie zu unförmig. Ein Kavalier erscheint und ist bereit, für fünfzig Lire diesen Dienst zu leisten. Sie verhandeln, und die Dame erhält den Fächer für zehn.”   Walter Benjamin, 1924

Weihnachtszeit in der Pignasecca, zentraler Markt unweit der Alstadt von Neapel

Benjamin erzählt eine sympathische Anekdote, die er in Neapel auffängt. Die 1920er Jahre in Neapel, über 50 Jahre nach der Vereinigung Italiens, war eine Zeit der grossen Armut und Auswanderung in die Usa. In diesem Kontext tritt die für Neapel typische Überlebenskunst und Handelslust ins Spiel: auf einer Seite der Kavalier, der sofort versucht aus dem Missgeschick der alten Dame Geld einen Verdienst zu schlagen. Auf der anderen Seite die unförmige Dame, die sich nun gezwungenermassen auf einen Handel einlassen muss und es schafft, den Preis von fünfzig auf zehn Lire runterzuhandeln.

Walter Benjamin war ein deutscher Kunstkritiker und Philosoph der Frankfurter Schule. Im Jahr 1924 und 1925 verbringt er im Alter von 32 Jahren zusammen mit Theodor Adorno, Siegfried Kracauer und Alfred Sohn-Rethel mehrere Monate am Golf von Neapel. Der Golf von Neapel und die Amalfiküste waren in jenen Jahren ein beliebtes Reiseziel besonders von deutschen, englischen und russischen Philosophen und Künstlern, die hier Inspiration und Ruhe suchten.

Weitere Berichte und Zitate über Neapel und die Region findet ihr in meinem Blog.

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Gastronomie in Kampanien

Der Büffel-Mozzarella aus Kampanien

Die Besonderheit der Büffelmilch

Der bekannteste Käse aus Kampanien ist sicherlich der Büffel-Mozzarella „Mozzarella di Bufala Campana“. Der Büffel-Mozzarella ist ein Frischkäse aus einer Fäden ziehenden Grundmasse, der ausschliesslich aus Büffelmilch hergestellt wird, und zwar nach einer rigorosen Technik, die nicht nur für die Herkunft des Produkts bürgt, sondern auch die Einhaltung des Herstellungsprozesses garantiert. Die Büffelmilch hat im Vergleich zu anderen Milcharten mehr Fett, Proteine und Calcium. Das Produkt ist dank der Abwesenheit von Carotinoiden von Porzellanweisser Farbe (und seine Oberfläche ist von einer extrem dünnen Haut überzogen, die gleichzeitig glatt und glänzend ist) und aus feinen Blattschichten besteht. Er ist praktisch ohne Löcher und beim Anschneiden treten reichlich weissliches Serum und der charakteristische Duft nach Milchfermenten aus. Der Mozzarella ist so fein und aromatisch, das es schwer fällt, ihn mit diesen unförmigen Tieren, die aussehen wie Nilpferde, mit ihren wilden und blutunterlaufenen Augen in Verbindung zu bringen, wie Goethe sich ausdrückte.

Formen und Aufbewahrung

Die Kenner bevorzugen die grossen Mozzarellakugeln, denen die Käsemeister sicherlich die meiste Aufmerksamkeit widmen muss, um jene typische Form zu erhalten, die an weibliche Rundungen erinnern. Aber auch die kleinere Stückgrösse des Büffel-Mozzarella, die der Vater von Alexandre Dumas als Büffeleier bezeichnete und die in in dieser Gegend Eierchen (Ovoline) oder Häppchen (Bocconcini) heissen, können einen guten Qualitätsstandard erreichen. Idealerweise sollte man den Büffel-Mozzarella immer so frisch wie möglich essen und nicht länger als 4 Tage aufbewahren. Die beste Art, ihn frisch zu erhalten, ist die, ihn in seinem milchigweissen Wasser zu lassen, so das er nicht austrocknen kann.

Geschichte des Büffels in Kampanien

Die Büffelzucht konzentriert sich traditionell auf die wasserreichen, einst sumpfigen Gebiete, die um den Lago Patria und die Regi Lagni, die sehr wahrscheinlich schon im 5. Jahrhundert, oder später um das Jahr 1000 auf Betreiben der Normannen die Haltung von Büffeltieren begünstigten. Die Normannen brachten die Tiere angeblich aus Sizilien mit, wo sie ihrerseits von den Arabern eingeführt worden waren (im 15. Jahrhundert gab man den Büffeln den Zweitnamen „Arabische Kühe“). Einige Wissenschaftler behaupten allerdings, das der Büffel bereits bei den Griechen und Römern bekannt war, während andere seinen autochthonen Ursprung für wahrscheinlicher halten. Bestätigt würde diese These durch die bestehenden erheblichen Unterschiede zwischen dem indischen und dem italienischen Büffel.

Das offizielle Kennzeichen des Schutzkonsortiums

Der Einzug der Büffel-Mozzarella in die kampanische Gastonomie

Erst im 18. Jahrhundert jedoch begann der Büffel-Mozzarella seinen Einzug in die alltäglichen Essgewohnheiten der kampanischen Bevölkerung zu halten, auch dank der borbonischen königlichen Büffelzucht im kleinen Königspalast von Carditello unweit von Caserta, sodass ein richtiger Markt für dieses Produkt entstand (die berühmte „Taverna“ in Aversa), auf dem jeden Tag die Preise des Produkts festgelegt wurden. Um die Frische und den charakteristischen Duft so lange wie möglich zu erhalten, bewahrte man ihn einst ganz einfach in Binsen- oder Myrtenblättern auf, mit denen man ein Weidenkörbchen oder einen aus Kastanienzweigen geflochtenen Korb auslegte, sodass man nach Bündeln von Mozzarella (mazze di mozzarelle) fragte. Heute kann der Mozzarella di Bufala Campana nur abgepackt verkauft werden – auch um überprüfen zu können, das auf der Verpackung das Markenzeichen des zum Schutz des Produkts gegründeten Konsortiums zu sehen ist. Dabei darf die originale Büffel-Mozzarella laut Vorschrift nur 100% Büffelmilch ohne Zusatz von anderen Milchsorten enthalten.

Caprese-Salat
Der Caprese Salat ist nur mit guter Mozzarella und schmackhaften Tomaten wirklich lecker

Aktuelle Verwendung der Mozzarella und des Quarks aus Büffelmilch

An Gelegenheiten, dieses Produkt in Neapel und Umgebung zu verzehren, fehlt es jedenfalls dank seines ausgezeichneten Geschmacks und seiner leichten Verdaulichkeit keineswegs. Er wird sowohl als gekochte oder rohe Zutat zu ersten und zweiten Gängen benutzt, als auch als Grundbestandteil vieler typischer neapolitanischer Gerichte (angefangen von der Pizza Margherita Doc) oder zu Salaten wie der Insalata Caprese mit der Sorrento-Tomate. Aus Büffelmilch können auch noch viele andere interessante Produkte hergestellt werden, wie die schmackhaften geräucherten Büffelkäsearten (provole affumicate), die man erhält, wenn man die ausgezogene Grundkäsemasse über feuchtem Getreidestrohfeuer räuchert, bis sie aussen die charakteristische braune Farbe und im Inneren die typisch hellgelbliche Farbe annimmt. Ebenfalls aus Büffelmilch hergestellt wird die Büffelquarkart (ricotta di Bufala), die sich vom ernährungswissenschaftlichen aus gesehen durch einen hohen Nährwert, ihre ausgezeichnete Verdaulichkeit und ihre sehr gute organoleptische Qualität auszeichnet.

Weitere Infos findet Ihr in meinem Blog zur Gastronomie in Kampanien

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Die Geschichte Kampaniens und Neapels

Die Epoche der Etrusker und Griechen in Kampanien

Die erste griechische Stadt Italiens – Cumae

Mit der Ansiedlung der Griechen in Kampanien zu Ende der Eisenzeit wird Kampanien in unsere Geschichtsschreibung integriert. Bereits seit vielen Jahrhunderten betreiben die Völker Griechenlands Handel mit den italischen Bewohndern,doch etwa um 750 v. Chr siedeln Griechen aus Chalkida und Kyme der Insel Eubea in Lacco Ameno auf der heutigen Insel Ischia an und nennen ihre Siedlung Pithecusa. Von hier aus gründen sie schliesslich die wahrscheinlich antikste Stätte der Magna Graecia, Cumae, um von hier aus ihre Kultur zuerst lokal und dann durch die Kontakte und den Handel innerhalb der nächsten Jahrhunderte bis nach Latium und Etrurien auszubreiten.

Die Gründe der Kolonnialisierung Italiens

Die Gründe der Gründungen von Städten in Süditalien sind sehr vielfältig, liegen wohl besonders an einer mangelnden Versorgung von Nahrungsmitteln in den immer weiter wachsenden griechischen Städten, als auch an um den Handel mit den Metallen zu erleichtern und so strategische Stützpunkte zu errichten. Die Wahl des Golfes von Neapel für die erste feste Kolonnie, dem nördlichsten Gebiet im Vergleich zu den vielen darauffolgenden peloponesischen Siedlungen im Rest Süditaliens, ist emblematisch: eine fruchtbare Landschaft mit einer strategischen Nähe zu Elba und Sardinien für den Handel mit dem Volk Etrusker in Kampanien von wichtigen Metallen und Mineralien mit griechischen Gütern.

Die Tempel von Paestum

Die griechischen Kolonnien Kampaniens

Auf dem Territorium der cumanischen Griechen werden am Golf von Neapel dann Parthenope (etwa 680 v. Chr.), Dikearchia duch Flüchtlinge aus Samos, die akzeptiert und integriert werden (das heutige Pozzuoli, 531 v. Chr.) und Neapolis (um 500 v. Chr.) gegründet. Weiter im Süden, am Delta des Flusses Sele, gründen die mächtigen Griechen aus dem kalabresischen Sybaris um 600 v. Chr Posidonia (das heutige Paestum) und erbauen dort die bis heute beeindruckend erhaltenen grossen Tempel. Etwa um 540 wird schliesslich noch Elea, das heutige Velia, von den vor den Persern flüchtenden Griechen aus Phokaia gegründet. Diese schöne und tüchtige Stadt am Meer unweit vom Kap Palinuro ist in seiner Blütezeit vor allem wegen seiner Philosophie-Akkademie um Xenophanes, Parmenides und Zenon bekannt. Die Griechen Kampaniens sind also ausschliesslich ionischem und achaischem (Paestum) Ursprungs.

Die Kolonnien de Griechen in Kampanien

Dabei folgen die Griechen in Kampanien bei der Siedlung ihrer Städte ein immer wiederkehrendes Schema: sie bevorzugen nicht allzu ausgedehnte Flachlandgebiete in der Nähe des Meeres als auch von Hügeln oder Bergen und meiden somit das Inland, in dem weiterhin die italischen Völker leben. So konnten sich die griechischen Kolonnien selbst versorgen und über das Meer Handel treiben. Man kann heute ausschliessen, das die Städte der Griechen in Kampanien als rein strategische oder militärische Basen fungieren, denn obwohl der Handel mit der Heimat priviliegiert wurde sind die neuen Kolonnien wirtschaftlich autonom und politisch frei. Nach der Gründung gibt es klare Regeln zur Versorgung und der Organisation der politischen und religiösen Normen, denn meist waren die neuen griechischen Städte strikter und genauer organisiert als die eigentliche Heimatstadt. Die Unterschiede der griechischen Siedlungen Süditaliens zur Heimat vergrössern sich auch durch den ständigen Kontakt mit den vielen italischen Völkern, wie zum Beispiel den Oskern Kampaniens. In Süditalien wird der Einfluss der griechischen Kultur historisch einen immensen Impakt haben.

Der Einfluss der Etrusker

Neben den griechischen Siedlungen an der Küste wird die Kolonialisierung Kampaniens in dieser Zeit auch von den Etruskern im Inland begleitet. Für die Etrusker wird Kampanien eine Grenzregion werden, die der etruskischen Welt aber ermöglicht direkten Kontakt mit anderen und speziell der griechischen Kultur aufzubauen. Diese haben ihr Zentrum in Capua und breiten sich von Teano bis zum südlich von Salerno gelegenen Fluss Sele aus. Capua wird dabei bereits im 9. Jahrhundert v. Chr. gegründet und trägt mit weiteren kleinen etruskischen Zentren, wie zum Beispiel Nola und dem heutigen Pontecagnano, zur Entstehung einer sehr entwickelten gemeinschaftlichen und ländlichen Kultur in den Tälern des Inlands von Kampaniens bei.

Die Etrusker in Italien
Die Erweiterung Etruriens bis nach Kampanien

Die etruskischen Siedlungen Kampaniens

Die Etrusker werden ähnlich wie in der Erweiterung der Emilia Siedlungen von lokalen Völkern ubernehmen und vor-urbane Siedlungen aufbauen, die ein Siedlungsgebiet mit einer primitiven politischen Verwaltung und eine separate Nekropole bilden. Die Siedlungen der Etrusker in Kampanien basieren wohl auf einer Agrarkultur, dem Handel mit den lokalen Stämmen und Griechen sowie den Handelskontakten mit den etruskischen Zentren in Mittelitalien. Die etruskischen Zentren befinden sich am Fluss Volturnus bei Teano im Norden Kampaniens, in Capua nicht weit vom griechischen Cumae (das später zu einer der wichtigsten vorrömischen Städte Italiens heranwachsen wird), in Nola im Inland des Vesuvs, in Nuceria (heute Nocera) unweit von Pompeji (das vielleicht auch etruskischen Ursprungs ist), vielleicht an der sorrentiner Halbinsel und dem heutigen Cava de Tirreni sowie dem letzten strategischen Stützpunkt Pontecagnano am Sele-Tal südlich von Salerno. Speziell in Pontecagnano aber auch in Nola befinden sich Museen, in denen man heute die etruskische Kunst Kampaniens besichtigen kann.

Die Vertreibung der Etrusker durch die Griechen

Die fortgeschrittene etruskische Kultur hat in Kampanien zwar Handelsbeziehungen zu den Griechen, doch andererseits verteidigen die Griechen ihre Vormachtstellung an der Küste und begrenzen den Handel der Etrusker auf den Wegen durch das Inland. Diese Vormachtstellung werden die Griechen in Kampanien in den beiden grossen Kriegen mit den Etruskern im Jahre 540 v. Chr durch den Tyrann Aristodemos von Cumae und endgültig im zweiten Krieg im Jahre 474 v. Chr durch die Unterstützung von Syrakus verteidigen und die Etrusker nach Jahrhunderten von kulturellen Einfluss aus Kampanien vertreiben.

Weitere Infos finden Sie in meinem Blog zur Geschichte Neapels und Kampaniens