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Ausstellung über den Futurismus vom 19.10-17.2.2019 in Neapel

Ausgewählte Werke von Boccioni, Balla, Carrà, Severini und anderen Darstellern der europäischen Avantgarde werden in der Ausstellung Futurismus in den 10er und 20er Jahren vom 19.10.2018-17.2.2019 in Neapel gezeigt. In der Cappella Palatina aus dem 14. Jahrhundert im Maschio Angioino am Hafen Molo Beverello wurden insgesamt 64 Hauptwerke italienischer und internationaler Künstler des Futurismus aus zwei Jahrzehnten zusammengestellt.

Mensch und Maschine im Futurismus

Um den Veränderungen im Leben und des Selbstverständnisses bewusst zu werden, die die Moderne dem Menschen gebracht hat, wurde die Vorstellung dieses Wandels im Futurismus in der Kunst und der Literatur in drei neuen kreativen verschiedenen Dimensionen dargestellt: in der Symbiose mit der Technologie, in der Symbiose mit der rauhen Materie und in der Symbiose mit den Konsumprodukten. Die Ausstellung will die Entwicklung dieser Themen in den 10er und 20er Jahren durch einen ikonographischen Schnitt, zentriert auf die manchmal durch den Menschen humanisierte Darstellung der Maschine, sowie einen formalen Schnitt, im Bezug auf die Grundlinien der Geschichte der Avantgarde, aufarbeiten.

Wahrnehmung des Dynamismus

Im ersten Bereich des Ausstellung wird die ursprüngliche futuristische Wahrnehmung der Darstellung der Bewegung und des Dynamismus wiederhergestellt. Sowohl die erste erdliche Geschwindigkeit als auch die Phase der mechanischen Ästhetik waren Charakterzüge der futuristischen Abstraktion, die sich an die Daten eines Phänomens band (wie bei Balla), oder auch Inspirationsquelle für neue formale Lösungen wurde und den Geist der Maschine in ein Gemälde transferieren wollten (ab den 20er Jahren).

Verschmelzungsprozesse

Das Thema der Durchdringung zwischen Subjekt und Ambiente und ihrer Simultanität werden in der Ausstellung aus der Prospektive des menschlischen Subjekts aufgezeigt. Die Regression des Menschens zum Objekt, die auch das Thema der Entfremdung neu interpretiert, wird auch als Öffnung zu einer neuen, weder nur noch menschlichen als nur mechanischen, existenziellen Form verstanden: sowhl die humanisierten Maschinen als auch der mechanisierte Mensch versuchen beide ihre Bedingungen zu überwinden, gerade weil ihre gegenseitige Verschmelzung sie zu unfertigen und “relativen” Subjekten werden liess.

Durchdringung und Überwindung

Das Thema des Eindringens des Gemäldes in die Realität und des Gemäldes als Objekt wird in der Ausstellung durch die Ausdehnung der Fiktion von Zentrum bis zum Rahmen des Bildes gezeigt, als wäre sie ein einiziger plastischer Organismus. Die Überwingung der Grenzen in der Kunst zwischen Malerei, Skulptur und Dekor wird auch als Überwindung der Grenze zwischen Fiktion und Realität verstanden, die als Prinzip der “aktiven Negation” im Aufprallen des Futurismus in der visuellen und verbalen Dimension funktioniert.

Mechanik
Die Ausstellung Futurismo a Napoli anni 10-20

Das vierte Thema dieser Ausstellung widmet sich der Passage von der sequenziellen Darstellung des Balla der ersten 10er Jahre bis zur Darstellung eines gleichen multiplizierten Subjekts ohne jegliche Registrierung einer Bewegung innerhalb des Gemäldes. Die Kunst des Depero, die von der Ausstellung auch als Ergebnis der Vorstellung der Mechanik der 20er Jahre verstanden wird (ab Fillia bis Depero), weisen nicht nur auf eine formale Lösung der zukünftigen amerikanischen Pop Art hin, sondern finden auch im cromatischen Spurwechsel der wiederholenden Subjekte einen originellen Ausgang des futuristischen Prinzips der Durchdringung.

Futurismus der 10er und 20er Jahre
  • Wo: In der Cappella Palatina des Maschio Angioino/Castel Nuovo, Metrohaltestelle Municipio in Neapel
  • Wann: vom 19.10.2018 bis zum 17.02.2019
  • Öffnungszeiten: Montag bis Samstag 10-19 Uhr, Sonn- und Feiertags 10-14 Uhr.
  • Eintritt: Von Montag-Samstags 10€, reduziert 8€, der Preis beinhaltet auch den Eintritt des Museo Castel Nuovo, Sonntags 8€, reduziert 6€, der Preis gilt nur für die Ausstellung.
  • Kuratoren: Giancarlo Carpi und Francesca Villanti
  • Informationen und Reservierungen: 0039 081 5628040 , Web: www.etes.it

Weitere Infos über Events, Ausstellungen und News in Neapel und Kampanien findet ihr in meinem Blog.

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Neapel und Kampanien in der Literatur

Reim Cervone und der Futurismus im Rione Carità in Neapel

Galvanisieren – Vitalität des Regimes: Tag für Tag beobachten wir den schnellen Abbruch vom Rione Carità – großes, hexenküchenartiges, widerliches Puffviertel im Herzen Neapels, muffige Krämerläden – Mäuselöcher anstelle von Türen, Brutstätte menschlichen Abschaums und architektonischer Missbildungen. Morgen wird alles eingeebnet sein.

Aus der Zone könnte ein herrlicher Flughafen werden. Doch wir sind für ein modernes Viertel, das den Geist der futuristischen Stadt von Antonio Sant’Elia atmet: Luft, Licht, Zweckmässigkeit, das ist das höchste in der Architektur. Kein Abklatsch der modrigen, jahrhundertealten Barackenwirtschaft. Was jetzt steht, soll zum Hohn des Denkmalschutzes dem Erdboden gleichgemacht werden. Die Architekten, die mit der Planung des neuen Stadtteils beauftragt sind, werden ihre Bauten mit kühner Freiheit, im Geiste der Funktionalität und bar künstlerischer Dogmen errichten. Sie werden die Umgebung dem Menschen und nicht diesen der Umgebung anzupassen haben. Aus ihren Entwürfen sollen Straßen entstehen, die sich den Erfordernissen von modernen Fahrzeugen und Geschwindigkeit anpassen, die in der Zeit des Temporausches weder durch winklige Kurven noch enge Gassen gehemmt werden darf.

Die Piazza Matteotti mit einer Architektur der 30er Jahre, links die Via Armando Diaz und rechts die Piazza Carità

Denn, meine Herren Architekten, nicht die Futuristen von heute werden eure Richter sein, sondern die zukünftigen, erbarmungslosen, rasenden Generationen Italiens: Um ihren Beifall müßt ihr euch bemühen.

Reim Cervone, 1933

Reim Cervone hebt in diesem Text den Geist der Zeit unter Mussolini im Italien und Neapel der faschistischen Zeit hervor. Die Texte und Theorien, unter anderem das angesprochene Buch Futuristische Architektur von Antonio Sant’Elia aus dem Jahr 1914, werden ab den 20er Jahren und besonders den 30er Jahren umgesetzt und dabei historische Stadtteile komplett abgerissen.

Der Rione Carità auf einer Karte von 1880 mit dem Teatro dei Fiorentini

Wer heute die Toledo entlang spaziert kann auf der rechten Seite von der Piazza Trieste e Trento kommend, ab dem großen Gebäude des Banco di Napoli über die Via Armando Diaz zur Piazza Matteotti bis zur Piazza Carità, die Stadterneuerung der Stadt Neapel zur Zeit des Faschismus betrachten. Auf der Schiavoni-Karte aus dem Jahr 1880 kann man noch den vorhandenen Teil der Altstadt sehen, in dem die florentinische Handelsloge gelebt hatte und eigentlich die berühmte Renaissance-Kirche San Giuseppe dei Fiorentini gestanden hatte. Das Teatro dei Fiorentini, nach der Kirche benannt, wurde 1618 gegründet und war das älteste und eines der erfolgreichsten lyrischen Theater der Stadt. Die Kirche wurde bei der Stadterneuuerung der 30er Jahre des Rione Carità entfernt, während das Theater nach der Beschädigung durch Bombardierungen des zweiten Weltkriegs in einer zweiten Phase der Erneuerung durch Wohngebäude ersetzt wurde.

Weitere Berichte und Zitate über Neapel und die Region findet ihr in meinem Blog.