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Gastronomie in Kampanien

Die Zitrone aus Sorrent IGP

Heute ist die Zitrone aus Sorrent die am häufigsten angebauten Frucht der sorrentiner Halbinsel. Ab dem 17. Jahrhundert verbreitete sich der lokal so typische Terrassenanbau der Zitrone aus Massa “Femminello massese”, die auch Zitrone aus Sorrent “Limone di Sorrento” genannt wurde, auf der gesamten Halbinsel und weisen andere Charakteristken als die Zitronen der Amalfiküste oder den Zitronen aus Procida auf. Nur Zitronen, die auf der Halbinsel von Sorrent sowie auf der Insel Capri angebaut werden, dürfen seit 2000 mit der von der EU kontrollierten Bezeichnung Limone di Sorrento IGP verkauft werden und nehmen somit eine besondere Position zwischen den Zitronen des Kontinents ein.

Schutzkonsortium der Zitrone aus Sorrent
Der Anbau

Heute,wie früher auch, handelt es sich beim Agrumenanbau um eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit und die Landwirte sind gezwungen, die Früchte ihrer Arbeit andauernd gegen den salzhaltigen Wind und die nicht immer günstige Witterung zu beschützen. Sie bauen daher eine Art Laube, die ihrerseits geschützt werden muß, und zwar von “lebenden” (Reihen von Oliven- oder Haselnußbäumen) oder “toten” Windschutzvorrichtungen (Streifen und Gerüste aus Kastanienholz); sie werden auch rechtwinkelig in der Richtung des stärksten Windes ausgerichtet und oft zusätzlich rund um den bebauten Boden aufgestellt. Die Laube selbst besteht aus einer tragenden Struktur, die die sogenannten “pagliarelle” stützen muß, wobei es sich um Matten aus Schilfrohr oder Netze handelt, die durch Kastanienstreifen zusammengehalten und auf die Laube gesetzt werden, damit sich eine Struktur bildet, die annähernd der Form von Hütten ähnelt. Diese Konstruktionen kennzeichnen das Landschaftsbild der sorrentiner Halbinsel ganz wesentlich.

Die Ernte

Die Pflanze wird unter diesen Schutzvorrichtungen aufgezogen und gestatten den Landwirten, die Reifung der Winterfrüchte bis zu einem gewissen Grad zu verzögern, damit das Produkt das ganze Jahr über angeboten werden kann, aber vor allem zwischen Mai und September, wenn die Nachfrage auf dem Markt am größten ist. Die Schutzvorrichtungen für die Agrumenpflanzungen verringern die von den Pflanzen aufgenommene Lichtmenge, wodurch das Wachstum verlangsamt wird. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird dadurch aber auch die zwar langsamere, aber wirkungsvolle Bildung für das ausgeprägte und durchdringende Aroma verantwortlichen Substanzen begünstigt, die für die Zitrone aus Sorrent charakteristisch sind.

Eine Zitronenlandschaft

Der Zitronenanbau hat einen engen Bezug zum Ambiente der sorrentiner Halbinsel aufgebaut: neben der Verwendung der Frucht trägt er auch durch den Terrassenanbau zur Festigung der Böden und zur Verschönerung der Landschaft bei, die so auch dem Turismussektor zu Gute kommt. Die Zitrone aus Sorrent ist die am weitesten verbreitete in Kampanien und stellt etwa einen Anteil von 40% des gesamten regionalen Anbaus an Zitronen. Die Zitrone aus Sorrent wird in allen Gemeinden der sorrentiner Halbinsel, von Vico Equense bis Anacapri, angebaut und verwendet.

Limoncello der sorrentiner Halbinsel
Besonderheiten der Zitrone aus Sorrent

Sie haben außerdem eine besonders ovale Form, ihre Schale weist eine typische wachsgelbe Farbe auf, unterscheidet sich durch ihre Süße und Saftigkeit von anderen Sorten und ihr Saft wird hierzulande auch pur getrunken, ohne Zucker beizufügen. Die Größe der Zitrone aus Sorrent ist mittel-groß und darf nicht weniger als 85 Gramm wiegen. Die Frucht ist reich an Vitamin C (38g pro pro 100g) und Mineralsalzen (Calcium, Phosphor, Eisen, Natrium, Kalium, Kupfer, Mangan, Magnesium, Zink) und hat, anders als die Sfusato-Zitrone aus Amalfi, einen recht sauren Geschmack, während die Schale mitteldick und reich an ätherischen Ölen ist.

Die Verwendung

Dank dieser besonderen organoleptischen Eigentümlichkeiten wird die Zitrone aus Sorrent in der Küche für die verschiedensten Varianten verwendet: einfach roh in Schreiben geschnitten, frisch gepresst, für die Getränke- und Marmelladenherstellung, als ideale Ergänzung für Salate verwendet und ist ein sehr begehrter Rohstoff zur Herstellung von Eis, Süßwaren und typischen Likören wie dem Limoncello der sorrentiner Halbinsel. In den Restaurants der sorrentiner Halbinsel und der Insel Capri wird die Zitrone auch oft für innovative und besondere Kreationen verwendet, die vom Antipasto bis zum Dessert oder teilweise sogar zum Espresso gehen. Die lokale Zitrone ist mittlerweile ein Muss in Verbindung mit den hier weit verbreiteten Fischspeisen oder Meeresfrüchten, die sowohl von den Einheimischen und auch den Turisten stark angefragt werden. Ein recht großen Erfolg genießen auch die neuen Varianten von Zitronendesserts wie die “Delizia al limone”, der Babà mit Limoncello oder auch das Zitronensorbet.

Weitere Infos findet Ihr in meinem Blog zur Gastronomie in Kampanien

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Neapel und Kampanien in der Literatur

Enzensberger und die Camorra

An dem Tag, da dieses Urteil gesprochen wurde, fragte die italienische Nation noch einmal nach der Camorra, nach ihrem Wesen und Unwesen, nach ihren Geheimnissen und nach Verfahren, die geeignet wären, sie auszurotten. Der Prozeß von Neapel hatte sie nicht zur Strecke gebracht. Aber wären die Reporter der Linkspresse statt Anklagen zu erheben und Mutmaßungen anzustellen, aufs Land gefahren und hätten ein paar Tomatenbauern gefragt, hätten sie sich nicht im Labyrinth der ergebnislosen Verhöre und der unbeweisbaren Gerüchte verloren, hätten sie die neoveristische Kulisse des Vasto-Viertels und des Corso Novara verlassen und sich dem Zentrum von Neapel zugewandt, der Via Caracciolo, der Piazza San Ferdinando oder den neuen Wolkenkratzern bei der Via Roma, so wären sie auf einen bemerkenswerten Sachverhalt gestoßen. Die Analyse, die da so eifrig vorgenommen wurde, war in Wirklichkeit eine Autopsie. Sie galt einem Leichnam.

Die finstere, die gefährliche, geheimnisumwitterte und mächtige Neue Camorra war in den vier Jahren, die seit dem dramatischen Kugelwechsel von 1955 verstrichen waren, ohne Razzia und Haftbefehl, ohne Sensationsprozeß und Skandal, lautlos zu Boden gegangen. Kein entschlossener Polizeipräsident hatte sie zur Strecke gebracht. Zehn Jahre lang hatte die Neue Camorra in Neapel geblüht, ein Anachronismus, eine Verbindung skrupelloser, aber altmodischer Amateure. Ihre Stunde schlug, als der Fortschritt nach Neapel kam, und der Fortschritt kam mit den Figuren des großen Kapitals. Die Zeit der kleinen Halunken und Mörder, der Pasqualones und Espositos, die Zeit des Melodrams, der Omertà, der edlen und der schmierigen Guapos war vorbei.

Wendige Manager, Juristen und Steuerfachleute erschienen, blitzende Verwaltungsgebäude wurden erbaut, an die Stelle der Knüppel und der Pistolen traten andere Waffen: Verträge und Wechsel, Kredite und Klauseln. Sie waren wirksamer. In unblutigen Hemden betraten die neuen Herren über Tomaten und Orangen die Szene. Sie verstanden etwas von Finanzierungen, hinter ihnen standen die Konservenfabriken und Exportbanken, die Industriellen des Nordens, und die Geldleute von Rom. Und sie schlugen die Camorra, indem sie ihr Werk fortsetzten, das Werk der Ausbeutung. Sie schlugen sie ohne Blutvergießen. Blutvergießen war antiquiert. Sie schlugen sie en gros, nicht en dètail. Polizei und Justiz hatten sie nicht gegen sich, Behörden und Regierungsstellen waren auf ihrer Seite. Die Neue Camorra war nicht neu genug. Die neueste hieß: Kartell. Der Krieg um die Tomaten dauerte nicht lange. Die Kartellstrategen führten ihn in zwei Etappen.

Hans Magnus Enzensberger, 1964

Hans Magnus Enzensberger (geb. 1929 in Kaufbeuren) ist ein deutscher Dichter, Schriftsteller, Herausgeber, Übersetzer und Redakteur. Der Auschnitt aus dem Essay “Politik und Verbrechen” aus dem Jahr 1964 gibt interessante Hinweise aus die Schwierigkeit die Camorra und das organisierte Verbrechen zu klassifizieren und sie unabhängig von den großen Interessen zu sehen. Auch heute noch wird die Camorra fast mit einer pyramidalen Struktur verbunden und gemeinhin als Mafia bezeichnet: die lokale hohe Arbeitslosigkeit hat zu verschiedenen Clans geführt, nach Interessengebieten und Ortschaften sortiert, die sich in verschiedenen Kämpfen praktisch bekriegt haben. Verstrickungen zwischen den Clans und Politik und Unternehmen sind auch heute noch sehr wahrscheinlich.

Weitere Berichte und Zitate über Neapel und die Region findet ihr in meinem Blog.

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Die Geschichte Kampaniens und Neapels

Das Herzogtum von Neapel

Die gotische Invasion Kampaniens wird vom byzanthinische General Belisar bekämpft und der gotische König Vitige eingekerkert, doch unter Totila schaffen es die Goten die Situation nochmals zu ihren Gunsten zu wandeln und nehmen große Teile Süditaliens, unter anderem Neapel, wieder ein. Erst General Narses entscheidet den bereits 18 Jahre andauernden byzanthinisch-gotischen Krieg für Byzanz und besiegt die letzten beiden gotischen Könige Totila und Teja. Neben der byzanthinischen Kunst wird auch durch der Novus Iustinianus Codex die Grundlage für die erneuerte Rechtsordnung der Stadt Neapel des frühen Mittelalters.

Fresken im byanthinischen Stil in Cimitile bei Neapel
Die Epoche der Bischöfe

Nach der Vertreibung der Goten breiten sich ab dem Jahr 568 die Langobarden in Italien aus, die in recht kurzer Zeit Mittel- und Süditalien und Kampanien erreichen. Die Verwaltung der Stadt Neapel, unter der byzanthinischen Obrigkeit während einer Epoche der politischen Instabilität, erhält eine aus Verteidigungsgründen notwendige Militärstruktur sowie eine neue Zivilstruktur, damit die erorberten Territorien verteidigt und verwaltet werden können. Auffallend ist auch der steigende Einfluss der Kirche durch den lokalen Bischof, der praktisch die Aufgaben des antiken Magistrats übernimmt und somit zum obersten Richter des Zivilrechts aufsteigt. Die Jahre von 578 bis etwa 670 werden daher als Bischofs-Epoche bezeichnet, da sowohl die religiöse als auch die zivile Macht durch die Bischöfe verkörpert wird. In diesen fast 100 Jahren entstehen in der Stadt zahlreiche Kloster und Kirchen griechischen Ursprungs in Form von koinobitischen Gemeinschaften, die meist von Mönchen des Basilianer-Ordens geleitet werden.

Kontraste mit dem Papst und Zufluchtsort

Diese Machtstellung des Bischofs führt zu heftigen Kontrasten mit den Päpsten und die Bevölkerung Neapels muß sich nicht selten vor Eingriffen der Kirche aus Rom verteidigen. Außerdem schafft das Herzogtum von Neapel sich fast ohne Fremdhilfe (Papst Gregor der Große ist eine Ausnahme) dauerhaft gegen die Angriffe der langobardischen Herzoge Arich von Benevent und Ariulf von Spoleto zu verteidigen und das byzanthinische Herzogtum von Neapel zu schützen. Die Stadt Neapel ist dadurch auch Zufluchtsort der flüchtenden kampanischen Bevölkerung von den von den Langobarden eingenommenen Städte wie Acerra, Atella, Nola, Nocera oder Capua.

Autonomes Herzogtum unter Byzanz

Eine komplette Autonomie, als Verbündeter von Byzanz, erhält Neapel im Laufe des 7. Jahrhundert mit der Ernennung eines Dux und der Einrichtung des Herzogtums von Neapel. Giovanni Consino vertritt das mit der byzanthinischen Dominanz zu jener Zeit unzufriedene Volk: mit der kaiserlichen Ernennung von Basilio zum Herzog im Jahre 661 wird eine neue Position geschaffen, der wie die römischen Magistrate damals, eine autonome Verantwortung über das lokale Heer hat.

Muenze aus Neapel aus dem 8. Jahrhundert mit dem heiligen Januarius
Abgrenzung von Byzanz

Interessant ist auch der Fakt, das zum ersten Mal ein Neapolitaner über die Stadt regieren kann, jedoch mit einer begrenzten Entscheidungsfreiheit. Stefan II ist anfangs (ab 755) noch kaum mit dem Papst verbunden, doch durch seine Anerkennung des Papstes Paul I und seiner Ribellion gegenüber Byzanz kommt es letztendlich im Jahr 763 zur Einrichtung des autonomen Herzogtums von Neapel. Um die errungene Autonomie Neapels zu untertreichen besteht Stefan II auf die päpstliche Unterschrift auf den offiziellen Dokumenten. Der neue “Dux-Bischof” führt das Latein wieder als offizielle Sprache ein, Heiligenbilder werden streng respektiert und die neuen Münzen des Herzogstums zeigen nicht mehr das Bild des byzanthinischen Kaisers sondern den lokalen heiligen Märtyrer Januarius.

Verlust von Knochen, Amalfi und Gaeta

Neapel verteidigt sich weiterhin erfolgreich gegen die Langobarden, im Jahr 831 aber werden die Reliquien des Heiligen Januarius (allerdings ohne den Schädel) geraubt, da diese in den Katakomben außerhalb der Stadtmauer aufgehoben waren. In der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts, vielleicht auch durch Herzog Antimo begünstigt, erlangen Gaeta und Amalfi eine stärkere Selbstbestimmung und entwickeln sich ab 839 zu den autonomen Herzogtümern von Amalfi und Gaeta.

Nähe zu den Franken und Sarazenen

Unter Herzog Andrea II beruhigt sich bis 840 der langwierige Verteidigungskampf des Herzogtums durch einen näheren Bezug zu den Franken, der auch vor sarazenischen oder langobardischen Angriffen hilft. Unter Sergio I ab dem Jahr 840 wird der Papst allerdings misstrauisch und Neapel fällt in Verdacht, den Sarazenen bei der Eroberung von Messina geholfen zu haben. Das Herzogtum von Neapel entwickelt in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts durch die wachsende Distanz zum Vatikan und der langsamen Abnabelung vom untergehenden byzanthinischen Imperium mehr eigene Autonomie.

Landwirtschaft und entstehende Vororte

Die Landwirtschaft und die Entwicklung der Landgüter beeinflussen die Geschichte Neapels ab dem 9. Jahrhundert. Aus den Dokumenten jener Zeit wird von einer großen Anzahl von Obst- und Gemüsegärten, Feldern, Weingärten und verschiedene Anbaumethoden berichtet. Man könnte fast auf eine Kontinuität zur Campania Felix der Antike schließen, als dieses Gebiet für die Landwirtschaft gerühmt wurde. Doch im Vergleich zur Antike gibt es eine Veränderung, die durch mühseelige Arbeit an den Mischwäldern, Büschen, Eichenwäldern, Pinienwäldern, Teichen und Sümpfen erreicht wird. In der Nähe der anbaubaren Flächen bilden sich kleine Siedlungen, die sich im Laufe der Zeit zu den Vororten Neapels entwickeln werden und bereits seit der ersten Zeit des byzanthinischen Einflusses als Teil der neapolitanischen urbanen Struktur angesehen sind. Auffallend ist die große Fragmentierung in kleine Anbaugebiete der landwirtschaftlichen Fläche, die somit zu einer großen Vielfalt und zu starker Konkurrenz führen.

Sieg über die Sarazenen

Im Jahr 915 besiegt das Herzogtum von Neapel gemeinsam mit dem langobardischen Herzogtum von Capua am Fluss Garigliano an der Grenze zum Latium endgültig die Sarazenen. Die Hilfe der byzanthinischen Armee hat aber zur Folge daß Neapel etwa bis 963 wieder von Byzanz ernannten Herzogen regiert wird. Das Herzogtum von Neapel wehrt sich daraufhin auch erfolgreich gegen die Expansionsversuche in Richtung Süditalien des Heiligen Römischen Reiches unter Otto III.

Die neapolitanische Marine

Die Marine von Neapel entwickelt sich in dieser Epoche sehr intensiv und wird von vielen Seemännern bewohnt. Die Stärke der neapolitanischen Marine liegt nicht besonders in der Anzahl eigener Händler, sondern an der großen Menge ausländischer Seefahrer, die im Herzogtum von Neapel Fuß fassen können und die Handelsrouten ab und zur Stadt Neapel erweitern. Besonders wichtig ist der starke Bezug zu Amalfi, der durch die historisch gesehen gute Bindung der beiden Stadtverwaltungen im Laufe des 10. Jahrhunderts zu intensiven Kollaborationen führt: der neapolitanische Leinen und andere lokale Produkte werden von den amalfitanischen Schiffen vertrieben und der Markt dadurch bis über die bisherigen Grenzen erweitert.

Hilfe und Ansiedlung der Normannen

Der Vesuv verbreitet im Jahr 1007 durch seine Ausbrüche Angst und Schrecken und nur durch die Hilfe des Normannen Rainulf Drengot und seiner Söldnertruppe können die Landstraßen gesichert werden. Zum Dank dürfen die Normannen die Grafschaft von Aversa besiedeln und diese Entscheifung wird in naher Zukunft die Geschichte Süditaliens stark beeinflussen. Das Herzogtum von Neapel versucht weiterhin einen Ausgleich zwischen eigener Autonomie und der Bindung zu Konstantinopel zu finden.

Angriff der Langobarden

Als in Konstantinopel Konstantin VIII zum Kaiser und Konrad der Salier im deutschen Reich zum König gekürt werden, schafft es Pandulf IV von Capua, als erster und letzter longobardischer Fürst, in Neapel einzudringen. Der neapolitanische Herzog Sergio IV flüchtet in das befreundete Herzogtum von Gaeta. Noch im gleichen Jahr 1027 wird Neapel von Sergio IV dank der Mithilfe der Normannen aus Aversa von den Langobarden befreit.

Aufstieg des Handelshafens von Neapel

Der florierende Handel des Herzogtums von Neapel wird neben den Amalfitanern auch von Kolonnien aus Sorrent und Gaeta angekurbelt. Trotz der vom Herzogtum von Neapel errungenen Autonomie der beiden Städte bleibt die Kollaboration weiterhin sehr aktiv. Die kulturelle Integration der Langobarden in Kampanien ist durch viele Friedensprozesse mittlerweile weit fortgeschritten und Neapel wird für die langobardischen Produkte ein attraktiver Exporthafen in Richtung Sizilien, Afrika und dem Orient. Die jüdischen Händler leben unweit des Portanova-Viertels und man kann davon ausgehen das auch der muslimische Einfluss zu jener Zeit intensiv ist. Immer wieder werden bis heute Überreste von muslimischen Siedlungen ab dem 9. Jahrhundert in Süditalien entdeckt und in verschiedenen Dokumenten wird das Herzogtum von Neapel wegen der starken Kollaboration mit den Sarazenen immer wieder kritisiert. Eine muslimische Minderheit, teils aus Spanien und teils vor den Normannen aus Sizilien geflüchtet, leben zur Mitte des 11. Jahrhunderts in Neapel, da aus dieser Zeit einige Grabsteine in kufischer Schrift stammen. Die natürlichste Integration, wegen ihrer engen Bindung an die byzanthinische Tradition und Identität, haben die vor den sarazenischen Angriffen und Zerstörungen geflüchteten verschiedenen italisch-griechischen Gruppen aus Kalabrien und den weiteren Teilen Süditaliens, die in Neapel und im Umland ihr neues Glück suchen. Der Hafen von Neapel zur Zeit des Herzogtums wird ein wichtiges Bindeglied zwischen dem eigenen Inland und dem Absatzmarkt des Mittelmeers: die wichtigste Rolle spielt dabei der fruchtbare Boden des Umlands und die damit zusammenhängende Produktion, die ab dem Hafen von Neapel von den verschiedenen Handelskolonnien vertrieben wird.

Italien im Jahr 1000
Die Landwirtschaft um Neapel

Die Jahrzehnte vor und nach der ersten Jahrtausendwende sind die Jahre der großen Veränderung, bei der große Flächen angebunden und landwirschaftlich genutzt werden. In den darauffolgenden Jahren bis in die 20er und 30er Jahre des 12. Jahrhunderts, als Resultat der politischen Instabilität, gibt es teilweise auch eine verminderte Produktion und zumindest einen eher mässigen Wachstum, da die Neapolitaner sich aus militärischen Gründen weniger auf die Verwandlung der landwirtschaftlichen Flächen und Produkte konzentrieren können. Die Nutzung der lokalen landwirtschaftlichen Flächen wird ein Echo auf den gesamten Handel des Mittelmeers haben, da die fruchtbare Ebene am Vesuv eine der produktivsten Pole des Südens darstellt. Die Umwandlung und Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen wird zur Basis des wirtschaftlichen Erfolgs und Entwicklung des Herzogtums von Neapel.

Der Handel der religiösen Orden

Besonders die religiösen Orden investieren stark in die Landwirtschaft und nutzen es aus das sie von der Produktion bis zum Vertrieb und dem Transport alles durch eigene Männer leiten können. Die Investitionen in die Landwirtschaft der kirchlichen Institute sind etwa dreimal so hoch wie die der zivilen Gesellschaft.

Die Normannen in Neapel

Der Normanne Roger II von Sizilien erweitert sich nach Apulien und wird erst Herzog von Apulien und schließlich von Benevent. Nachdem auch die beiden weiteren langobardischen Fürstentümer von Salerno und Capua erobert werden, erwartet Roger eine sofortige Aufgabe der neapolitanischen Bevölkerung. Doch die Übernahme von Neapel durch die Normannen lässt auf sich warten und etwa 60 Galeeren von Roger werden in die Flucht geschlagen. Erst nach langen von Kämpfen und Belagerungen geprägten Jahren ergibt sich das Herzogtum von Neapel und wird durch den Schwur der Treue ein Vasall des Königs Roger II.

Sieg der Familie Hauteville

Der neapolitanische Herzog Sergio VII ist somit gezwungen zusammen mit König Roger gegen Rainulf von Alife, aus der normannischen Familie Drengot und mit dem Papst verbündet, im Jahr 1138 die Schlacht des Gargano zu kämpfen, in der er schließlich sterben wird. Nur ein Jahr später stirbt auch Rainulf durch mangelhafte medizinische Betreuung und Roger II. aus der Familie Hauteville wird alleiniger Herrscher Süditaliens. Der Papst Innozenz II hat keine weitere Wahl als Roger in Benevent als König von Sizilien, seinen Sohn Roger als Herzog von Apulien und Anfuso als Graf von Capua zu küren.

Ankunft von Roger II in Neapel

Sergio VII hinterlässt keine Erben in Neapel, das wahrscheinlich, erschöpft von Jahren der Belagerung und des Kampfes, durch den Erzbischof Marino verwaltet wird und schließlich im Jahr 1140 König Rogers Ankunft mit einer aufwendigen und ehrwürdigen Feier empfängt und somit Teil der normannischen Königreichs wird.

Weitere Infos finden Sie in meinem Blog zur Geschichte Neapels und Kampaniens

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Gastronomie in Kampanien

Der Ziehkäse aus Sorrent

Die sorrentiner Halbinsel und das gesamte Gebiet der Monti Lattari können sich einer außerordentlichen Tradition im Bereich der Käse- und Milchprodukte rühmen, wobei der Ziehkäse aus Sorrent sicherlich eine der verbreitesten Sorten darstellt .

Der Ursprung

Sie geht auf die antike Gepflogenheit der sorrentiner Landwirte zurück, den Überfluss an Kräutern, die wild auf ihren Gründen wuchsen, zur Züchtung von Kühen (darunter auch die lokale Rasse “Agerolese”) und anderen Tieren zu nutzen, deren Milch ganz besonders reich an Fett und Proteinen ist und ausgezeichnete organoleptische Qualitäten besitzt.

Käse in die Form ziehen

Diese Milch stellt den idealen Rohstoff für die Erzeugung von hervorragenden, sowohl frischen als auch gereiften, in die Form gezogene Käsesorten “formaggi a pasta filata” dar; außer den charakteristischen Aromen des Herstellungsgebiets gibt die Milch auch die besondere Formbarkeit an sie ab, die für diese Art von Produkt überaus wichtig sind. Man muß die Charakteristiken des soeben gebildeten Käses bestmöglich nutzen, um ihn in die gewünschte Form ziehen zu können. Es handelt sich dabei um eine Verarbeitung mit interessanten rituellen Aspekten, zum Beispiel haben viele Molker die Angewohnheit, mit einer Messerschneide auf der rohen Masse, die aus der Käsemilch auftaucht, ein Kreuzzeichen zu machen, bevor sie der heiklen Arbeit des “in die Form ziehen” unterzogen wird.

Der Fiordilatte und Zopf aus Sorrent

Vor allem dank der Vorzüge dieser Milch und dem besonderen Geschick der hiesigen Molker sind der “fiordilatte” und der Sorrentiner Zopf “treccia sorrentina” überall bekannt. Sie verkörpern zwei Varianten des frischen Ziehkäse aus Sorrent, die in dieser Gegend das ganze Jahr über hergestellt werden und aus frisch gemolkener Kuhvollmilch bestehen. Es handelt sich dabei um ein elfenbeinfarbiges Produkt mit ziemlich glänzender Oberfläche, das sich sehr elastisch und etwas blättrig anfühlt. Es wird außerdem von mildem Geschmack und dem starken Aroma frischer Milch charakterisiert. In einigen Molkereien werden die Zopfenden miteinander verbunden – wodurch ein Produkt mit einer charakteristischen Kronenform entsteht, das dem “tortano” ähnlich ist, einem tpisch neapolitanischen Osterkranz – und in diesem Fall wird das Erzeugnis “tortaniello” genannt.

La Treccia – Frischer Geschmack in Form eines Zopfes

Auch zur Caprese verwendet

Der frische und milchige Geschmack dieser Sorten des Ziehkäse aus Sorrent passt ganz ausgezeichnet zu den Tomaten aus Sorrent, wodurch Gerichte, die vor allem zur Sommerzeit geschätzt werden, in Leben gerufen werden, wie zum Beispiel die “caprese” – ein mit kaltgepresstem Olivenöl, Basilikum und Origano angemachter Salat – die inzwischen überall auf der Welt bekannt ist und zum authentischen Symbol der mediterranen Küche geworden ist.

Varianten

Es gibt auch eine Reihe von Varianten dieser Erzeugnisse, die von einzelnen Molkereien angeboten werden, um den verschiedensten Bedürfnissen nachzukommen: so entstanden beispielsweise die mit Schinken und Rauke gefüllten Zöpfe, die mit Tomaten und Basilikum gefüllten Häppchen, oder die kleinen “scamorzine indiavolate”, die mit Pfefferschoten, Oliven und Butter angereichert sind und gegrillt werden können.

Der Caciocavallo Silano

1993 trat ein Gesetz in Kraft, das eine territoriale Abgrenzung für die Herkunft der Hartkäsesorte “caciocavallo silano” vorsah und zwölf Gemeinden der Provinz von Neapel, fast alle auf dem Gebiet der sorrentiner Halbinsel, miteinbezog: der Käse wird aus Kuhmilch hergestellt, ist halbhart, wird “in Form gezogen”, hat eine ovale, kugelähnliche oder kegelstupfartige Form, auf dessen Oberseite manchmal ein “kleiner Kopf” gebildet wird. Seine Rinde ist dünn, glatt, tief strohfarben und kann leichte Einbuchtungen aufweisen, die von den äusseren Bändern stammen, an denen er aufgehängt wird. Seine Masse ist homogen und kompakt, weiß oder strohgelb und hat kleine Löcherungen. Der Geschmack wird durch die Ernährung der Tiere beeinflusst – die ihm einen angenehmen Wohlgeruch verleiht, der auf die Charakteristiken der Grasarten des Herkunftsortes ist -, erweist sich immer als sehr aromatisch und kann variieren: wenn das Produkt erst vor wenigen Wochen zubereitet worden ist, schmeckt es mild und frisch, wenn es hingegen lange gelagert wurde, ist sein Geschmack würzig und weich. Bei längerer Reifung zerbröckelt diese Sorte des Ziehkäse aus Sorrent leicht und gibt Fetttropfen von sich; manchmal wird der Käse auch geräuchert. Sein Name hat Anlass zu unterschiedlichen Hypothesen gegeben: einige Gelehrte nehmen an, daß er früher aus der Milch von Reitstuten erzeugt wurde, aber aller Wahrscheinlichkeit nach entstammt der Name ganz einfach nur der Gewohnheit, die Käsestücke (die ein Gewicht von 1 bis 2,5 Kg haben können) mit einer Binsen- oder Raphiaschnur paarweise zusammenzuschnüren, um sie “a cavallo”, d.h. rittlings, an einer Stange zum Reifen aufzuhängen. Schon zur Zeit des Königreichs Neapel war es üblich, auf der Aussenseite dieser Käsesorte ein Markenzeichen anzubringen, das ein Pferd darstellt.

Der Caciocavallo aus Sorrent

Im allgemeinen wird auf der Sorrentiner Halbinsel ein weniger lang gereifter Ziehkäse aus Sorrent als Hartkäse “Caciocavallo di Sorrento” bezeichnet: er hat die Form einer Birne, ist an einem Ende mit einer Schnur gebunden und weist eine große runde Kugelform auf; die Rinde ist dünn und wird im Laufe der Reifung immer dunkler, während der Käse selbst fest, elastisch, von weisser oder strohgelber Farbe ist und manchmal Löcherungen aufweist. Sein Geschmack ist mild, weich und voll, während sein Geruch delikat und angenehm ist. Es handelt sich dabei um ein Ziehkäse aus Sorrent, der im allgemeinen manuell verarbeitet und aus Kuhvollmilch hergestellt wird. Erzeugt wird er von einer großen Zahl an Käseverarbeitungsbetrieben, die vorwiegend in den Gemeinden Vico Equense, Massa Lubrense und Agerola ansässig sind.

Der Bebè – junger und frischer Ziehkäse aus Sorrent

Der frische Bebè

Zu den in letzter Zeit aufgekommenen Produkten, die mit der gleichen Verarbeitungsmethode des “caciocavallo silano” hergestellt werden, zählt der Käse “bebè”, der eine längliche Form hat, die an ein gewickeltes Kleinkind erinnert. Er wird im allgemeinen – die Reifung dauert nur wenige Tage – verzehrt und wird aufgrund seines Wohlgeruchs und delikaten Geschmacks oft dem traditionellen Hartkäse vorgezogen.

Käse als Dekoration

Es sollte noch auf eine für die Sorrentinische Halbinsel charakteristische Tradition hingewiesen werden, die vor allem zu Hochzeiten oder anderen Festlichkeiten aufrechterhalten wird. Aus Butter, Hartkäse oder Ziehkäse aus Sorrent – der mit der gleichen Methode wie der “fiordilatte” produziert wird – werden verschiedene Gegenstände (Rosen, Muscheln, kleine Schafe u.v.m.) geformt, die erstaunliche Effekte hervorrufen.

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Neapel und Kampanien in der Literatur

Hebbel und die englische Uhr in Neapel

„Ein anderer geht in Neapel spazieren. Es geht ein Herr ganz nah an ihm vorbei. Er denkt: Ich bin bestohlen, und untersucht seine Taschen. Börse, Taschentuch ist da, aber die Uhr fehlt. Er dem Herrn nach und packt ihn beim Arm. “Was wollen Sie?” “Die Uhr” “Da!”. Als der Engländer nach Hause kommt, liegt seine Uhr auf dem Tisch, und er hat zwei Uhren für eine.

Friedrich Hebbel, 1845

Christian Friedrich Hebbel war ein deutscher Lyriker und Dramatiker. Hebbel verbrachte die Jahre 1844-1846 in Italien, besonders lang waren seine Aufenthalte in Rom und Neapel.

Diese nette Anekdote verrät uns einiges über die meist fehlende Distanz in Neapel, in diesem Fall verbunden mit den Vorurteilen und der Angst über die Kriminalität in Neapel eines engländischen Besuchers. Die Geschichte endet mit einer typischen Geschichte einer Stadt, die manchmal nimmt aber auch gerne gibt: in diesem Fall eine neue Uhr als herzliches Andenken an die Stadt und vielleicht auch die eigenen Vorurteile.

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