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Neapel und Kampanien in der Literatur

Stendhal über das San Carlo und die Monarchie in Neapel

Der 13. Januar 1817. Der gleiche Eindruck von Respekt und Freude als ich eintrat. Es gibt nichts in Europa, ich würde nicht vergleichbares sagen, sondern etwas was auch nur annährenderweise eine Idee hiervon geben könnte. Ich erblicke auf den Bühnen Damen, denen ich vorgestellt werden könnte; ich bevorzuge mein aktuelles Gefühl und bleibe auf dem Parkett. Dieser Saal, der in dreißig Tagen wiedererrichtet wurde, ist ein Staatsstreich. Es bindet das Volk stärker an den König als das beste Gesetz. Ganz Neapel ist berauscht von Patriotismus. Ein sicherer Weg um sich steinigen zu lassen wäre es hier einen Defekt zu finden. Sobald man von Ferdinand spricht: “Er hat das San Carlo wieder aufgebaut!”, sagt man sich: wie leicht ist es doch sich beim Volk beliebt zu machen! Es gibt eine Ader der Anbetung im Herzen des Menschen. Selbst ich, wenn ich an die Kleinlichkeit und die keusche Armut der von mir besichtigten Republiken denke, ertappe mich dabei ein wahrer Monarchist zu sein.

Stendhal, 1825 – aus dem italienischen von mir übersetzt

Rom Neapel Florenz – klassische Reiseliteratur von Stendhal

Marie-Henri Beyle, bekannt unter seinem Pseudonym Stendhal (geb. 1783 in Grenoble; gest. 1842 in Paris), war ein französischer Schriftsteller, Militär und Politiker. Stendhal gilt als einer der ersten Vertreter des literarischen Realismus und gilt zusammen mit Balzac, Dumas, Hugo, Flaubert, Maupassant und Zola zu den wichtigsten französischen Romanciers des 19. Jahrhunderts. Stendhal war ein großer Liebhaber Italiens und seiner Künste: er verbrachte viele Jahre seines Lebens in Italien. Eines seiner ersten Bücher beschrieb die Geschichte der Malkunst Italiens und seine Reisebeschreibung Rom, Neapel, Florenz ist bis heute ein Klassiker der Reiseliteratur.

Der Text von Stendhal über das San Carlo und die Monarchie in Neapel ist ein interessanter Bericht über die Gefühle in Europa in einer Zeit zwischen Monarchien, Repubbliken und den Patriotismus. Unter Ferdinand, der mit einer 10 jährigen Pause in der napoleonischen Zeit über sehr lange Zeit König von Neapel bleibt, erlebt Neapel noch ein recht positives Bild der Monarchie, die hingegen mit den folgenden bourbonischen Königen langsam in den Untergrund verbunden mit Volksaufständen und schließlich der Vereinigung Italiens ändern wird. Stendhalds Text über das San Carlo und die Monarchie in Neapel erinnert an eine Reiseerfahrung, die bei der Veröffentlichung bereits acht Jahre zurück liegt. Die Zerrissenheit Standhals ist eindeutig, wobei allerdings die Pracht des San Carlo, dem heutigen ältesten aktiven Theaters der Welt, in der Bewunderung die zentrale Rolle in Stendhals Text übernehmen wird.

Weitere Berichte und Zitate über Neapel und die Region findet ihr in meinem Blog.