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Die Geschichte Kampaniens und Neapels

Die Eroberung Süditaliens durch die Normannen

Die ursprünglich aus Skandinavien stammende Bevölkerung der Normannen (von Nordmännern) nutzen ihr Wissen im Schiffsbau um zu pilgern, zu handeln oder auch Raubzüge zu organisieren. Die Normannen sind in jener Zeit größtenteils bereits christlichen Glaubens und die erdrückende Feudalwirtschaft der Normandie führt zu starken Migrationen der Normannen in Richtung Ostsee, Nordsee, dem atlantischen Ozean und in den Mittelmeerraum.

Zur Jahrtausendwende als Söldner in Kampanien

In Kampanien und Süditalien werden normanische Pilger urkundlich zum ersten Mal in Salerno bei ihrer Rückkehr aus Jerusalem im Jahre 999 erwähnt. Die normanischen Krieger helfen Fürst Guaimar IV. Salerno vor einem Angriff der Sarazenen erfolgreich zu verteigen. Daraus folgte, daß einzelne Ritter oder Rittergruppen aus der Normandie nach Süditalien zogen, um hier als Söldner in die Dienste der verschiedenen langobardischen Fürsten oder byzanthinischen Herrscher zu treten.

Rückzug aus Apulien

Im Jahr 1016 reisen normannische Pilger zum Schrein des Erzengels Michael in Gargano und treffen dort auf den langobardischen Adligen Melus von Bari. Dort versuchen sie zusammen mit Melus Apulien von den Byzantinern zu befreien und beteiligen sich somit das erste Mal an einem geplanten Krieg. Die Schlacht von Canne im Jahr 1018 endet allerdings mit einer derben Niederlage und dem Tod von Rainulph Drengots Bruder sowie einem Rückzug der Überlebenden von Apulien nach Kampanien.

Die normannische Grafschaft von Aversa unweit von Neapel

Erster fester Sitz in Aversa

In Kampanien nutzt die restliche normanische Miliz unter Rainulph Drengot die Rivalität der langobardischen Herzogtümer aus und unterstützen zuerst Pandolph IV. von Capua. Weitere Raubzüge und Wechsel zu den meistbietendsten Auftraggebern folgen in den Jahren darauf. Nachdem Pandolph es zum ersten Mal schafft das Herzogtum von Neapel zu erobern, unterstützt Rainulph Drengot mit seinen normannischen Rittern allerdings überraschenderweise den neapolitanischen Herzog Sergius IV bei der Rückeroberung der Stadt. Zum Dank erhalten die Normannen durch Sergius IV. von Neapel im Jahre 1030 die Grafschaft von Aversa unweit von Neapel als Lehen und werden somit zum ersten Mal in Süditalien sesshaft.

Eroberung von Capua

Das Vorgehen von Drengot verärgert den deutschen Kaiser Konrad II., der das Fürstentum von Capua daraufhin erobert um es dem antibyzantinischen Fürsten Waimar IV von Salerno zu übergeben. In diesem Zeitraum bemerken die Normannen, daß weder die Langobarden noch die Byzantiner in Süditalien eine Zukunft haben werden, da sich sowohl der deutsche Kaiser als auch der Vatikan in die Interessen Süditaliens einmischen. Da keiner den Mut findet entschieden einzugreifen, erobern die Normannen das Fürstentum von Capua, mit öffentlicher Anerkennung von Konrad II., um zu einer der größten politischen Mächte im Süden Italiens heranzuwachsen.

Zweites normannsches Machtzentrum unter Wilhelm von Hauteville

Wilhelm “Eisenarm” von Hauteville erreicht mit seinem Bruder Drogo nach Anfrage von Rainulph Drengot um 1035 Süditalien  um die Byzantiner bei der Rückeroberung Siziliens von den Arabern zu unterstützen. Nachdem das Ziel nicht erreicht werden konnte, schließen sich die Langobarden unter Waimar VI. und die Normannen unter Wilhelm Eisenarm zusammen um das byzantinische Apulien an sich zu reissen.

Die Hauteville in Melfi

Sitz der Hauteville in Melfi

Die ständig umkämpften Territorien führen zu einer erneuerten Allianz im Jahre 1042 zwischen Rainulph Drengot und Pandolph IV. von Capua um dem langobardischen Fürst Waimar IV. von Salerno zu bekämpfen, der allerdings seine Schwester Gaitelgrima mit Drogo verheiratet um seine Freundschaft und die Position der Normannen als seine Vassallen zu verstärken. Mit dem Plan gemeinsam Kalabrien zu erobern schenkt Waimar IV von Salerno dem Normannen Wilhelm Eisenarm von Hauteville dafür im Jahr 1044 die Stadt Melfi.

Benevent als Enklave des Papstes

Innerhalb weniger Jahrzehnte geraten somit die verschiedenen soliden und sekulären Kleinstaaten, die bisher in verschiedenen Formen einen eigenen intellektuellen und wirtschaftlichen Fortschritt erlangt hatten, in eine schwierige Situation. Benevent, die ursprüngliche Hauptstadt des langobardischen Herzogtums, fällt im Jahr 1051 unter den heiligen Stuhl des Papstes (und wird dieses auch bis zur Vereinigung Italiens im Jahre 1860 bleiben) und somit zu einer Enklave innerhalb des normannischen Reiches.

Verbündet mit dem Papst unter dem Zeichen des Christentums

Durch den Wunsch des Vatikans den Süden Italiens von den Byzanthinern zu befreien, erhalten die Normannen vom Papst den Konsens ein katholisches normannisches Königreich zu erschaffen. Im August des Jahres 1059 kommt es zur Synode von Melfi: Papst Nikolaus II. bestätigt nicht nur die Gebietsansprüche der beiden Fürsten Richard von Capua und Robert Guiskard, sondern macht sie offiziell zu seinen Lehnsleuten.

Vertreibung der Byzanthiner und die Eroberung Siziliens

Ein weiterer Vorteil stellt der gemeinsame Kampf mit den Genuesern und Pisanern gegen das von der Arabern beherrschte Sizilien dar. Robert de Hauteville geht diese Aufgabe an und erobert 1072 Palermo in einer überraschenden Invasion, im Jahr 1073 Amalfi und im Jahre 1076 Salerno. Im Laufe weniger Jahre fällt eine sizilianische Stadt nach der anderen, bis 1091 mit der Stadt Noto auch das letzte arabische Bollwerk unterliegt. Durch die Eroberung von Bari im Jahre 1071 wird außerdem den Byzanthinern die letzte militärische und politische Präsenz im Süden Italiens genommen. Erst als die Normannen dem Papst den Molise entreissen kommt es zum Konflikt zwischen Gregor VII und den Normannen. Durch die starke militärische Macht der Normannen unter Robert Guiskard akzeptiert die Kirche im Jahr 1080 allerdings einen Friedensvertrag.

Der Aufstieg von Salerno

Die medizinische Schule von Salerno, Miniatur aus dem Kanon von Avicenna

Salerno steigt in den Jahren von 1077 bis 1130 zur Hauptstadt des kontinentalen Süditaliens auf und wird, auch dank ihrer berühmten Scuola Medica (die medizinische Schule), ihren wohl bisher ruhmvollsten historischen Zeitraum erleben. Die Scuola Medica von Salerno wird in jenem Zeitraum wohl das wichtigste Studienzentrum des christlichen Westeuropas. Die Stadtstruktur von Salerno erneuert sich ebenfalls: Eine neues Königsschloß wird gebaut, das Castel Terracena, sowie der beeindruckende Dom, der unter Robert Guiskard im arabisch-normanischen Stil errichtet wird. Der Dom wird von Papst Gregor VII eingeweiht, der im Exil in Salerno unter normannischem Schutz lebt (und heute begraben liegt) und die verehrten Reliquien des Apostels Matthäus konserviert.

Der erste christliche Kreuzzug

Nach einem missglückten Angriff auf den Orient stirbt Robert Guiskard im Jahr 1085 in Kefalonia, wenige Jahre nachdem er Papst Gregor VII aus Rom von der Haft durch Heinrich IV. befreit und nach Salerno bringt. Im Jahr 1096 startet nach einem Hilferuf des byzanthinischen Kaisers mit Unterstützung der Franzosen der erste Kreuzzug auf die islamische Bevölkerung, der sich jedoch auch auf Konstantinopel selbst und die jüdische Bevölkerung ausweitet.

Vereinigung Süditaliens unter der normannischen Krone

Gegen Ende des 11. Jahrhunderts haben die Normannen mit Ausnahme der päpstlichen Enklave Benevent und dem Herzogtum von Neapel bereits den gesamten Süden Italiens erobert. Die Invasion von Kaiser Lothar III. in Italien führt zu harten Kämpfen zwischen den Normannen und der römisch-deutschen kaiserlichen Armee und einen kurzweiligen Verlust einiger Territorien. Nur kurz nach der Abreise Lothars III. aus Italien im Jahr 1137 erobern die Normannen unter König Roger II. Salerno, Avellino, Benevent und Capua zurück und außerdem zum ersten Mal auch das Herzogtum von Neapel. Das Königreich der Normannen beinhaltet nun ganz Süditalien von Sizilien bis nach Gaeta im Süden Roms.

Die Familie Hauteville, Melfi

Erster moderner Beamtenstaat Europas

Nach vielen Jahrhunderten politischer Trennung werden die Städte Kampaniens unter der normannischen Krone vereint und ein Modell für ganz Europa was die Effizienz und Moderne der politischen Verwaltung betrifft. Nach arabischem Vorbild wird der erste moderne Beamtenstaat Europas in Süditalien gegründet. Ein Beispiel hierfür ist die Verfassung der sogenannten Assisen von Ariano (das heutige Ariano Irpino in der Provinz von Avellino), einer umfassenden Verwaltungs- und Justizreform aus dem Jahre 1140, bei der religiöser von königlicher Macht getrennt und die wachsende Macht der Barone gehemmt werden sollen.

Lateinisierung der süditalienischen Kirche

Durch die Normannen kann der Vatikan auch die Lateinisierung der griechischen Kirche in Süditalien fortführen. Die Normannen akzeptieren die kirchliche Authorität des Papstes über alle lokale Bischöfe, ob griechischen oder lateinischen Kults, sowie die Vormachtstelltung der lateinischen Bischöfe über jegliche Kulte anderer Sprachen. Den Normannen begnügen sich damit das die lateinischen Priester vorzugsweise normannischer Herkunft sind.

Verlust der lokalen Autonomien

Das normannische Reich bedeutet allerdings auch eine schwer zu überwindende Blockade für die Autonomien der Städte Kampaniens und der Entwicklung ihrer Verwaltungen. Der wirtschaftliche Wohlstand von Zentren wie Amalfi wird gemindert, da ihre Position im internationalen Handel nicht mehr so zentral und autonom wie zuvor ist. Interessanterweise gibt es im Süden Italiens bis zur Ankunft der Normannen kein wirkliches Feudalsystem, das von den herrschenden Dynastien abhängig gewesen wäre. Die große Anzahl von Gemeinden und Dörfern waren relativ autonom und riskierten nur Raubzüge der Langobarden oder hohe Steuerabgaben an die Byzanthiner. Durch die Organisation der Langobarden als oft miteinander verwandter Volksstamm und der Byzanthiner als bürokratisch-militärischen Systems eines ethisch-religiösen Reiches entwickelt sich somit lediglich eine Steuererhebung an die verschiedenen Volksgruppen, Familien und Gemeinden Süditaliens.

Hyrarchisches Militärsystem in der Verwaltung

Die Normannen tendieren zwar zu einem zentralisierten staatlichen System, allerdings unter verschiedenen Hyrarchien, bei denen die Untergeordneten meist Vassallen der wirtschaftlich und militärisch mächtigeren Oberschicht sind. Selbst die Religion ist nur Instrument um besser regieren zu können und theologische Diskussionen sind praktisch kaum vorhanden. Die Normannen bedienen sich eigenen Funktionären um staatliche Güter zu kontrollieren und somit eine wirtschaftliche und politische Autonomie aufzubauen. Die normannischen Herrscher können die historisch und sprachlich pluralistischen Kulturen schwer unter einen Hut kriegen, daher versuchen sie einen zentralisierten Staat mit militärischer Gewalt aufzubauen, der auf klare Hyrarchien zwischen Über- und Untergeordneten basiert und die lokalen Landwirte und Bauern unterdrückt.

Die Abhängigkeit vom König

Im sogenannten “Katalog der Barone” aus dem Jahr 1153 werden alle Pflichten der Ritter, Barone und den neuen Grundbesitzern aufgeführt, die wie im normannischen England alle vom König abhängig sein müssen. Der König bleibt exklusiver Inhaber aller Feudalwirtschaften des Reiches und dies garantiert ihm einen immensen Reichtum und eine von den Baronen unabhängige Entscheidungsfreiheit. Somit sind alle, von der Kirche über den Adel bis zum Bauern, in irgendeiner Form an den normannischen König gebunden.

Roger II, normannischer König Süditaliens

Eweiterung in Richtung Afrika

Die normannischen Könige legen viel Wert auf territoriale Eroberungen. Nach der Gründung des süditalienischen Reichs unter der normannischen Krone erweitern Roger II, Wilhelm I und Wilhelm II das Königreich in Richtung Afrika von Tripolis bis Tunis. Im Jahr 1156 konkurriert das Reich von Sizilien in militärischer Macht und Reichtum mit Frankreich und England und stipuliert Abkommen mit Papst Hadrian IV. über wichtige Städte wie Capua, Neapel, Amalfi oder Salerno aus.

Das normannische Reich von Sizilien

Die Entwicklung der süditalienischen Gemeinden

Die Einführung der strengen Feudalherrschaft durch die Normannen hat schlimme Folgen auf die Einheit und die Verbindungen zwischen Stadt und Umland: die feudalen Systeme führen zu einem politischen Partikularismus und zerschlagen das Fundament der von den Normannen selbst versuchten staatlichen Einheit. Durch das mangelnde Interesse an einer autonomen Entwicklung der lokalen Bauern, Händler und Gemeinden organisieren sich viele Bewohner in “universitas” genannte Gemeinden um eigene Interessen besser verteidigen zu können. Der normannische Verwaltungsapparat hingegen ist fair und effizient, da die Justiz von staatlichen Funktionären und nicht von den Baronen ausgeführt wird.

Roger II. Tochter Konstanze als neue Königin mit Heinrich VI. als Mann

Doch die Einheit zwischen Vatikan und Normannen bricht mit der Heirat von Konstanze von Hauteville mit Heinrich VI. Da Wilhelm II. keine Kinder bekommt und bei den Normannen nicht unbedingt ein Mann das Königreich regieren muß, schafft es Konstanze, Tochter von Roger II, den jungen Wilhelm III zu entthronen und nach einem Krieg gegen die mit dem Papst allierte Armee von Tankred neue Königin von Sizilien zu werden.

Abgabe des Königreichs und dem Sohn Friedrich an Papst Innocenz III.

Konstanzes Ehemann Heinrich VI. läßt sich von Papst Coelestin III. als Kaiser krönen, bleibt aber wegen seinem überraschenden Tod im Alter von 32 lediglich drei Jahre auf dem Thron des Königreichs von Sizilien. Konstanze beendet die Dynastie der Normannen indem sie Papst Innocenz III sowohl ihren jungen Sohn Friedrich als auch das Königreich in Obhut gibt. Friedrich wird als Erwachsener den Kampf gegen den Vatikan allerdings fortführen und einer der bis heute bekanntesten Könige Europas werden.

Die Könige Siziliens (inklusive dem Süden Italiens) der Hauteville-Dynastie von 1130-1198

  • Roger II, 1130-1154 schafft es den gesamten Süden Italiens zu erobern und zu einem Zentralstaat zu vereinen, der als einziger in Italiens Geschichte 700 Jahre überdauert;
  • Wilhelm I, der Böse, 1154-1166, Sohn von Roger II;
  • Wilhelm II, der Gute, 1166-1189, Sohn von Wilhelm I;
  • Tankred 1189-1194, Sohn von Roger III. von Apulien, dem ältesten Sohn von Roger II;
  • Wilhelm III, 1194, Sohn con Tankred, Thronfolger im Alter von 9 Jahren unter Aufsicht seiner Mutter Sybille;
  • Konstanze von Hauteville, 1194-1198, nach dem Tod von Roger II. geborene Tochter, die sich mit dem Staufen Heinrich VI., Sohn von Friedrich I. Barbarossa, verheiratet und den legitimen Nachfolger Wilhelm III absetzt um das Königreich von Sizilien zu regieren. Nach dem Tod von Heinrich im Jahr 1197 regiert die Witwe im Namen des Sohns Friedrich II., zukünftiger König von Sizilien, Deutschlands und des heiligen römischen Reichs.

Weitere Infos finden Sie in meinem Blog zur Geschichte Neapels und Kampaniens

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Die Geschichte Kampaniens und Neapels

Das frühe Mittelalter in Kampanien und die Langobarden

Das frühe Mittelalter in Kampanien ist von einer regionale Krise und dem Verfall des weströmischen Imperiums geprägt. Von einem wirtschaftlichen und demografischen Rückgang betroffen, verschlimmert sich mit den barbarischen Invasionen der Westgoten unter Alarich und den nordafrikanischen Vandalen, die im Jahre 456 Capua verwüsten. Schlimme Folgen hat auch der sich fast ausschließlich auf dem Territorium Kampaniens ausgetragene lange Krieg der Gothen mit den Byzantinern.

Die Byzanthinisch-langobardische Verbündung gegen die Goten

Das Inland Kampaniens und besonders die Gegend um Benevent werden von den Langobarden bevölkert, da sich die Byzanthiner zur Zeit der gotischen Kriegen mit ihnen verbünden. Der letzte König der Goten Teja fällt um 552 n. Chr. auf kampanischem Boden und die restliche Besatzung der Ostgoten versucht bei Conza im heutigen Irpinien letzten Widerstand zu leisten. Der byzanthinische General Narses wird von den Langobarden ausschlaggebend geholfen, um die Ostgoten endgültig zu besiegen. Auch aus Verteidigungsgründen ermöglicht Narses den Langobarden das Gebiet um Benevent zu besetzen: der Grundstein der Ansiedliedlung und der Geburt des Herzogtums von Benevent ist gelegt und Zotto wird um 568 n. Chr. erster Herzog von Benevent.

Langobardische Autonomie und Ausbreitung unter Zotto

Nach dem Sieg gegen die kaiserlichen byzanthinischen Truppen unter Baduar erreicht das Herzogtum der Langobarden unter Zotto in recht kurzer Zeit eine Autonomie von Byzanz. In nur 10 Jahren von 570-580 n. Chr. erobert Zotto das gesamte Inland Kampaniens, das die Byzanthiner durch weitgehend fehlende Verteidigungsmittel schwer verteidigen konnten. Das Herzogtum von Benevent erweitert den langobardischen Einfluß über weite Teile Süditaliens.

Kulturelle Trenung innerhalb der Region Kampanien

Die ehemalige römische Provinz Kampanien, die mittlerweile nur noch das Gebiet der Küste am Golf von Neapel beinhaltet, wird somit im Jahr 590 abgeschafft und durch die Herzogtümer von Neapel und Rom ersetzt. Weitere Stützpunkte werden von den Byzanthinern in Gaeta, Sorrent, Amalfi und Salerno gesichert. Nach Jahrhunderten der politischen Einheit innerhalb Kampaniens unter dem römischen Imperium entwickelt sich nun parallel eine italisch-griechische Kultur an der Küste und eine italisch-langobardische Kultur im Inland Kampaniens.

Die kulturelle Integration der Langobarden im Süden Italiens

Anders als in Norditalien erfolgt die Eroberung des Südens nicht durch eine Strategie oder einer Masseneinwanderung aus Pannonien. Es kommen vorüberwiegend Söldner und Krieger in den Süden, die durch Bandenbildung Raub und Überfälle tätigen, da sie ja ursprünglich von den Byzanthinern bezahlt wurden, um die gotische Plage zu beheben. Selbst Herzog Zotto könnte ursprünglich ein Bandenchef der langobardischen Söldner gewesen sein. Dadurch ist der langobardische kulturelle Einfluß zwar weniger intensiv als im Norden Italiens, andererseits ist die kulturelle Integration mit der in der großen Überzahl stehenden lokalen Bevölkerung wohl einfacher. Die Grabmähler der Longobardia Minor scheinen diese These zu bestätigen.

Die Herzogtümer von Benevent und Spoleto in Mittel- und Süditalien

Die von den Langobarden besetzten Gebiete in Mittel- und Süditalien werden mit dem Namen Langobardia Minor bezeichnet und beinhalten die Herzogtümer von Spoleto und Benevent. Während das norditalienische Langobardia Maior in verschiedene und wechselnde Herzogtümer und Gastale aufgeteilt wird, behält die Langobario Minor über den gesamten Zeitraum des langobardischen Reichs (568-774) in den beiden Herzogtümern von Spoleto und Benevent eine erhebliche istitutionelle Stabilität. Auch wenn sich die Herzogtümer von Spoleto und Benevent strukturell an das langobardische Reich von Pavia binden, wird in jenem Zeitraum eine weitreichende Autonomie gegenüber der Zentralregierung genossen (und von 574 bis 584 sogar eine komplette Unabhängigkeit).

Die Langobarden und Byzanz
Große Spannungen im 7. Jahrhundert mit Byzanz

Besonders zu Anfang ihrer Ausbreitung üben die Anfangs eher kriegerischen Langobarden enormen Druck auf die byzantinischen Küstenstädte aus. Zwar schaffen sie es nicht Neapel, Sorrent und Amalfi einzunehmen, doch fallen Capua, Nocera und im Jahre 630 sogar die erste Hafenstadt Salerno in ihre Hände. Selbst wenn man in Vergangenheit wohl den Einfluß der Langobarden meist als zu kritisch und negativ betrachtet hat, kann man heute kaum bestreiten das das sechste und das siebte Jahrhundert wohl zu den schwierigsten der Geschichte Kampaniens gehört.

Ein Herzog aus Benevent als König der Langobarden

Unter Grimoald wird im Jahre 662 sogar ein beneventanischer Herzog König der Langobarden, doch seine Herrschaft wird im Endeffekt eine erste starke Abhängigkeit Benevents gegenüber der zentralen Gewalt bedeuten. Unter Grimoald wird die Separation von Pavia und Benevent beibehalten und die beiden Throne an zwei seiner Söhne verteilt.

Die Konversion der Langobarden zum Christentum und das Aufblühen der benedektinischen Kultur

Erst gegen Ende des 7. Jahrhunderts entspannt sich der Druck zwischen den Byzanthinern und den Langobarden wohl Dank der Konversion der Langobarden zum Christentum durch den beneventanischen Bischhof Barbato. Die christliche Konversion bildet schließlich auch die Grundlage des Aufblühens des lokalen benediktinischen Mönchtums, des Wiederaufbaus des im Jahre 581 von Zotto, dem ersten langobardischen Herzog von Benevent, schlimm verwüsteten Klosters von Montecassino, als auch der Gründung der Abteien von San Vincenzo al Volturno im heutigen Molise und Santa Sofia in Benevent. Der kulturelle Einfluß der benedektinischen Mönche ist enorm: eindeutiges Zeichen hierfür ist die Erfindung der sogennanten Buchschrift Beneventana.

Die Abtei von San Vincenzo al Volturno
 
Die Rivalität zwischen der Londobardia minor und maior im 8. Jahrhundert

Nachdem das Herzogtum von Benevent den Byzanthinern im Laufe der vorherigen 150 Jahren große Gebiete entzogen hat und sich die Grenzen stabilisiert haben, entwickelt sich das das langobardische Reich Norditaliens und nicht mehr Byzanz zum neuen Hauptrivalen. König Liutprand versucht in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts mehrmals eigene Kandidaten auf die Throne von Benevent und Spoleto zu bringen. Sein Nachfolger Rachis erklärt die Herzogtümer von Benevent und Spoleto sogar als Fremdgebiete, die man ohne königliche Erlaubnis nicht mehr besuchen darf.

Der Einfluß der Franken in der langobardischen Kultur

Die langobardischen Herzogtümer Süditaliens (Longobardia minor) entwickeln sich im Laufe der Jahrzehnte immer unabhängiger von den Langobarden Norditaliens und der Hauptstadt Pavia, so daß Benevent unter Arich dem Zweiten im Jahre 774 zum Fürstentum aufsteigt. Das Herzogtum von Benevent bleibt somit selbst nach der Eroberung des langobardischen Reichs durch Karl dem Grossen im Jahr 774 noch in langobardischer Hand, auch wenn der Thron nun von Fürsten fränkischem Ursprungs besetzt wird.

Die Entwicklung der langobardischen Hafenstadt Salerno

Nachdem Arich II seinen Hof nach Salerno verlegt, entwickelt sich nun erstmals auch eine wichtige langobardische Hafenstadt mit einer veränderten Stadtstruktur, einer großen Burg und neuen Stadtmauer. Salerno wird die Langobarden zwar nicht zu einer Seemacht aufrichten, doch entsteht zumindest eine neue Rivalität zwischen ihr und der tradtionsbewussten und konservativeren Hauptstadt Benevent. Das langobardische Reich Süditaliens wird bei seiner weitesten Expansion fast ganz Kampanien, Molise, die Basilicata sowie Teile Apuliens und Kalabriens beinhalten. In Sizilien, Neapel, Gaeta und der amalfitanischen und sorrentinischen Halbinsel bleibt hingegen der byzanthinische Kultureinfluß erhalten.

Kultureller Wachstum und Geburt des Fürstentums von Salerno

Der einflussreichste Fürst von Benevent wird Sico I., Eroberer von Neapel, von wo er die Reliquien des heiligen Januarius rauben und nach Benevent bringen wird. Das 9. Jahrhundert wird trotz vieler Probleme kulturell das bedeutendste des Fürstentums von Benevent, in dem auch die beeindruckende Santa Sofia-Kirche noch unter Arich II errichtet wird. Zwar gibt es nach dem Königsmord an Sicard im Jahr 851 durch den Einfluß von Ludwig II dem Deutschen eine Trennung in zwei Fürstentümer: neben dem Fürstentum von Benevent wird das Fürstentum von Salerno geboren, das einen erheblichen Teil des zentralen und südlichen Gebiets des langobardischen Herzogtums von Benevent übernimmt und nun endgültig autonom wird. Dem neuen Fürstentum von Benevent hingegen bleibt ein erheblicher Teil Apuliens, die Region Molise und der Sannio erhalten.

Erhaltene Autonomie und Einfluss der beneventanischen Kirche

Interessanterweise bleibt nach dem Fall des langobardischen Reichs das Herzogtum von Benevent, später Fürstentum, faktisch das einzige langobardische Gebiet, das über fast 300 Jahre eine eigene Autonomie bewahren wird, trotz der Aufteilung einiger Gebiete im Jahr 851. Die kulturelle Autonomie der voherigen Jahrhunderte ist somit die Konsequenz der politisch-geographischen Situation jener Zeit. In der beneventanischen Kirche entwickelt sich als Gegenpol zum gregorianianischem Chor ein Gesang mit eigenem Stil und Rhythmus, der alsbeneventanischer Gesang bekannt wird. In diesem Kontext entwickelt sich auch die bereits erwähnte Schriftform “beneventana”, die für die Wiedergabe der lateinischen Sprache bestimmt ist und sich im langobardischen Süditalien stark verbreitet.

Die Schriftform „Beneventana“
Ansiedlung der Sarazener und Geburt des des dritten langobardischen Fürstentums Capua

Die Sarazenen entwickeln sich von ihrer Rolle als Söldner recht schnell zu einer autonomen Kraft und siedeln sich in Licosa (845), Agropoli (882) und am Garigliano (von 883 bis 915) an. Von hier aus planen sie regelmäßige Angriffe und machen große Teile Süditaliens unsicher. Die regional historisch wichtige Stadt Capua fällt in eine tiefe Krise und wird schließlich im Jahre 841 von einem Angriff der Sarazenen stark beschädigt. Erst im Jahre 856 wird Capua in einer neuen und sicheren Lage wieder neu aufgebaut (das antike Capua kennt man heute unter Santa Maria Capua Vetere) um sich im Laufe des zehnten und elften Jahrhunderts zu einem von Salerno und Benevent unabhängigen weiterem langobardischen Fürstentum zu entwickeln. Durch die andauernden Übergriffe der Sarazenen und die verschiedenen politischen Trennungsprozesse (wie im Falle von Salerno und Capua) beginnt im 9. Jahrhundert in Süditalien eine langsame Zergliederung der langobardischen Einheit, allerdings werden die drei Fürstentümer gemeinsam die kulturelle Identität der Langobarden in Kampanien noch bis zur endgültigen Übernahme der Normannen von Salerno im Jahr 1077 wahren.

Erscheinung der Normannen am Golf von Neapel

Um das Jahr 1000 erscheinen in Süditalien normanische Krieger, die je nach Bezahlung und Lohn von den Mächtigen als Söldner eingestellt werden um lokale Streitereien für sich zu entscheiden. Eine wichtige Persönlichkeit ist die Familie Hauteville unter Robert Guiskard, der die Fürstin von Salerno Sichelgaita heiraten wird. Im Jahre 1027 schenkt Herzog Sergius IV von Neapel dem Normannen Rainulf Drengot und seinen Söldnern die Grafschaft von Aversa, als Dank zu ihrer Unterstützung in einem der Kriege gegen das langobardische Fürstentum von Capua. In Aversa unweit von Neapel wird somit der erste normannische Vorposten Süditaliens geboren.

Übernahme von Benevent durch den Vatikan

Der Untergang des Fürstentums von Benevent wird im 11. Jahrhundert immer sichtbarer: im Jahr 1022 nimmt der Kaiser Heinrich II. die Hauptstadt Benevent ein, muss allerdings voreilig nach Deutschland zurückkehren. Durch den Einmarsch der Normannen kurze Zeit später ist das Ende des Fürstentums besiegelt. Robert Guiskard nimmt Benevent im Jahr 1053 ein und ordnet die ehemalige langobardische Hauptstadt dem Vatikan unter. Bis 1081 ernennt der Vatikan noch einige Fürsten, daraufhin wird das Fürstentum endgültig aufgelöst. Ab 1230 bis zur Vereinigung Italiens im Jahr 1860 wird Benevent dauerhaft vom Vatikanstaat regiert.

Italien im Jahr 1000
Das elfte Jahrhundert: goldenes Zeitalter von Salerno

Das Fürstentum von Salerno erhält über längere Zeit eine aktive Rolle. Guaimario IV, Fürst von Salerno von 1027 bis 1052, erweitert das Fürstentum weit über die bisherigen Grenzen: Amalfi, Sorrent, Gaeta und große Teile Apuliens und Kalabriens sind nun Teil des salernitanischen Reiches. Salerno träumt davon ganz Süditalien in seinem Fürstentum zu vereinigen und auf den hergestellten Münzen wird der Begriff Opulenta Salernum geprägt. Der Handel von Salerno erlebt im 10. und 11. Jahrhundert ein goldenes Zeitalter und auch die medizinische Hochschule von Salerno wird die berühmteste medizinische Einrichtung ganz Europas jener Zeit.

Ende des letzten langobardischen Fürstenturms von Kampanien

Doch auch Salerno muss sich mit den Normannen und Robert Guiskard messen. Die Stadt wird ab dem Jahr 1076 belagert, nach 8 Monaten eingenommen und im Jahr 1078 Hauptstadt des normanischen Reiches an Stelle der vorherigen Hauptstadt Melfi. Der letzte langobardische Fürst Gisulf II wird Salerno verlassen und nach Sarno (nach einer kurzen Flucht nach Rom) ins Exil geschickt. In diesen Jahren ersetzt die Namensgebung Terra Laboris (aus einem Dokument von 1092) nun den vorherigen Namen Campania, die auch unter den Normannen beibehalten wird.

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