Obwohl die San Giovanni a Carbonara Kirche zu den bedeutendsten Kirchen der Region Kampanien gehört, wird sie selten von den Besuchern der Stadt Neapel besichtigt. Die etwas unglückliche Lage, am Rande der Altstadt an einer bewegten Strasse in Richtung Hauptbahnhof, lässt dieses artistische Juwel etwas in Vergessenheit geraten. Die Via Carbonara und das Gebiet um die Porta Capuana wird seit 2019 aufgewertet und eine sorgfältige Besichtigung dieses kleines Meisterwerks ist in jedem Fall empfehlenswert. Innerhalb der Kirche befinden sich zwei der bedeutendsten Kappellen der Stadt, die Caracciolo del Sole Kappelle und die Caracciolo di Vico Kappelle, die in zwei gesonderten Artikeln behandelt werden.
Das Gründungsgebiet der San Giovanni a Carbonara Kirche
Die San Giovanni a Carbonara Kirche in der Via Carbonara, nach dem mittelalterlichen Begriff Carbonetum benannt, lag knapp ausserhalb der damaligen Stadtmauer in einem Bereich der Schutt- und Müllablagerung der Stadt. Erst unter Karl II. von Anjou wurde der Bereich aufgewertet um hier Feste und Spiele zu organisieren und einen grossen Adelspalast gegenüber zu erbauen, der später von der Adelsfamilie der Caracciolo di Santobuono aufgekauft und heute in ein renommiertes Hotel umgewandelt wurde. Die Caracciolo Familie, eine der bedeutendsten des Königsreichs von Neapel, hatten grossen Einfluss auf dieses Stadtviertel und haben in den verschiedenen Kirchen einige der schönsten Kappellen der Stadt hinterlassen.
Der Ursprung der Kirche
Der Bau der San Giovanni a Carbonara Kirche startet ab 1343 als Gründung des Augustinerordens auf einem vom Adelsmann Gualtiero Galeota geschenkten Baugrund und werden um 1418 beendet. Zum Ende des 14. Jahrhundert unter Ladisolao von Duraz wird die Kirche praktisch zu einem Pantheon der Königsfamilie der Anjou. Hinter der geradeliniegen Absis wurde ab 1427 unter Sergianni Caracciolo die Caracciolo del Sole Kappelle angesetzt, die eine von der Kathedrale von Neapel inspirierte besonders hohe Schirmdecke aufweist. Während die Caracciolo del Sole Kappelle vom Innenbereich der Kirche auf einem ersten Blick kaum auffällt, bestimmte sie ästhetisch den Aussenbereich der Kirche, wie man auf einigen Bildern Neapels des 15. Jahrhundert beobachten kann. Heute dominiert die damals die Häuser überragende monumentale gothische Kirche wegen den vielen Gebäuden der Gegend das Stadtbild nicht mehr. Zudem hat die San Giovanni a Carbonara Kirche wegen dem Bau der di Somma Kappelle im 16. Jahrhundert ihre Fassade verloren und wird von den Kappellen der Santa Monica, di Somma und dem Kloster umgeben, so das sie von innen allein durch vier Monoforien an der südlichen Wand beleuchtet wird.
Der Treppe zum Eingangsbereich
Die steile Treppe zur Kirche wird nach dem Erdbeben 1688 durch den neapolitanischen Stararchitekten des früheren 18. Jahrhunderts Ferdinando Sanfelice durch das Einsetzen der Treppe mit dem szenographischen Effekt eines zusammenlaufenden Sturzbachs und den 3 Vorbereichen sowie der Restaurierung der unteren Kirche (Santa Maria Consolatrice degli Afflitti) stark verändert. Das Werk des Ferdinando Sanfelice scheint der Kirche eine Fassade zu geben, obwohl der Eingangsbereich tatsächlich gar nicht sichtbar ist, der zu dem Zeitpunkt nicht mehr vorhanden war. Das Werk des Ferdinando Sanfelice ist auch die Erneuerung der drei Kreuzgänge und der reichen Bibliothek, die heute leider nicht zu besichtigen sind.
Das Eingangstor
Der Zugang in die San Giovanni a Carbonara Kirche geht über ein spätgothisches neapolitanisch-toskanisches Eingangstor von ca. 1430 über einen Seiteneingang des Hauptschiffs seitdem im 16. Jahrhundert die Errichtung der di Somma Kappelle den Haupteingang ersetzt hat. Über dem Eingangstor sind noch die Reste eines Wandfresco des Leonardo da Besozzo mit den Heiligen Augustin und Thomas zu erkennen, während die Madonna mit Madonna mit Kind aus der linken Nische aus Sicherheitsgründen in das linke Kirchenschiff vor die di Somma-Kappelle gebracht wurde.
Das rechte Kirchenschiff
Rechts vom Eingang liegt die dem heiligen Bartholomäus gewidmete Kappelle der Familie Recco mit einem Marmoraltar im Stile der reifen Renaissance des lombardischen Bildhauers Tommaso Malvito. Auf dem Marmorantependium ist ein feines Relief mit der Darstellung der Wiederaufersteheung Christi zu erkennen. Die Lisenen sind reich dekoriert und auf den beiden Medaglions des Altars sind die Heiligen Blasius und Thomas dargestellt. Die daneben liegende Kappelle ist der Erscheinung des Herrn gewidmet und wurde erst 1719 vom königlichen Juristen Gaetano Argento wiederentdeckt, der in einem in den 1730er Jahren von Francesco Pagano gestaltenen Grabmahl bestattet wurde. Links vom Eingang der Kappelle steht der Altar des Kruzifixes der del Balzo Familie mit dem Grabmahl der Lucrezia dal Balzo aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und dem Grabmahl des Fabio Caracciolo, Herzog von Martina, aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Ein weiteres Grabmahl neben der Kappelle zeigt einen liegenden Krieger mit den Waffen der Familien Caracciolo und Orsini und einem Tympanon mit der Darstellung des Jesu Christi.
Die Kreuzigung des Vasari
Kurz vor dem Grabmahl am Hauptaltar der San Giovanni a Carbonara Kirche wurde das Bild der Kreuzigung des Vasari aufgehängt. Das ursprünglich in der neben der Kirche stehenden Seripando Kappelle hängende Bild war Teil einer Ausstattung von 18 Bildern des Giorgio Vasari. Einige Bilder sind leider verloren gegangen, während die weiteren erhaltenen Bilder heute in der Bildergallerie von Capodimonte hängen.
Das königliche Grabmahl von Ladislao I. von Neapel
Am Ende des Hauptschiffs steht das von seiner Schwester und königliche Nachfolgerin Johanna II. errichtete monumentale 14 Meter hohe Mausoleum des Ladislao I. von Neapel, Sohn des Karl III., König von Neapel von 1387 bis 1414. Das Monument wurde vom Grabmahl des Roberts des Weisen in der Basilika von Santa Chiara inspiriert und bis heute gibt es Kontroversen über die teilhabenden Künstler dieses Werkes. Die seitlichen Fresken mit einem Heiligen Johannes und einem Heiligen Augustin sind vom lombardischen Maler Leonardo da Besozzo aus dem 1420er oder 1430er Jahren. Das über einen recht langen Zeitraum gebaute Monument weist dabei einen Übergang von der späten Gothik in die Renaissance auf. Die Reiterskulptur des Königs Ladislao. I mit der Besonderheit ein rotes, blutiges Schwert zu tragen (eine Rarität innerhalb einer Kirche) hat einen gothischen norditalienischen Einfluss (vielleicht aus der Gegend von Verona und der Lombardei), während die vier Tugenden (Mässigung, Festung, Klugheit,Grossmut) bereits einen starken Einfluss der Renaissance-Kunst aufzeigen. Auf dem zweiten Level des Grabmahls sehen wir die beiden Figuren der Johanna II. und des Ladislao. Neben dem König sind die Tugenden des Militärs und der Hoffnung dargestellt während neben der Königin und die Tugenden der Karitas und des Glaubens stehen. Auf dem dritten Level sehen wir den königlichen Sarkophag mit der Figur des liegenden Königs unter dem Segen eines Bischofs und zwei Diakonen. In den vier seitlichen Spitzbögen ist die Königsfamilie mit den Eltern Karl III und Margherita von Duraz dargestellt. Hier ist bis heute nicht klar, ob alleine Andrea di Firenze oder auch andere Künstler mitgewirkt haben. Einige Kunstkritiker sind davon überzeugt, das zwei weitere toskanische Künstler, einer der an die Kunst des Michelozzo und ein weiterer der an Niccolò Lamberti gebunden sei, an diesem Monument mitgearbeitet hätten. Unter dem königlichen Grabmahl ist der Zugang zur Caracciolo del Sole Kappelle, bitte hier aufpassen nicht auf die spätgothische Maiolika-Fliesen zu treten.
Das linke Kirchenschiff der San Giovanni a Carbonara Kirche
Von der Caracciolo di Vico Kappelle aus kommend treffen wir auf den Altar der Madonne delle Grazie mit einer Skulptur einer Madonna mit Kind von Michelangelo Naccherino aus dem Jahr 1578. Die nächste Kappelle, die der Familie Recco gehörte und heute praktisch leer steht, war der grossen Krippe der Ulmer Pietro und Giovanni Alemanno gewidmet. Die 48 grossen Holzkrippenfiguren wurden 1484 fertiggestellt, wobei man die erhaltenen 14 heute im Museum der Karthause von San Martino im Stadtviertel Vomero bewundern darf.
Der Miroballo Altar
Auf dem rechten Kirchenschiff auf der Höhe des Eingangsbereichs steht man direkt dem grossen Altar der wichtigen und königsnahen Miroballo Familie gegenüber. Die Struktur des Altars ist ein besonderes Beispiel der Renaissance der lombardischen Schule, die von dem Mailander Jacopo della Pila und den aus Como stammenden Tommaso und seinem Sohn Giovan Tommaso Malvito errichtet wurde. Auf dem Basrelief des maestösen Monuments ist Christus in seinem Grabmahl zwischen der Jungfrau, Johannes und zwei Engeln dargestellt. In der Mitte des Altars steht die Skulptur des Apostels Johannes von Giovanni da Nola zwischen zwei Skulpturen der Mässigung und der Tapferkeit. Im Innenbereich des Bogens stehen zwei weiteren Skulpturen, die die Tugenden der Gerechtigkeit (links) und der Klugheit (rechts) darstellen. Im Tympanon sehen wir eine Abbildung der Jungfrau mit Kind zwischen Johannes dem Täufer und dem Apostel Johannes, die die Gründer der Kappelle, Troiano und Maddalena Miroballo, in kniiender Position vorstellen. Die Hauptpfeiler stützen auf zwei Löwen und werden durch einen Rahmen in zwei Bereiche aufgeteilt. Im unteren Bereich wurden die Skulpturen vom Heiligen Gregorius (links) und dem Heiligen Augustin (rechts) eingesetzt. Auf der höheren Ebene sehen wir in den beiden Nischen die Skulpturen des Heiligen Hieronymus (links) und des Heiligen Ambrosius (rechts). Auf der rechten Aussenwand des Altars wurden zwei weitere Nischen mit den Skulpturen der Heiligen Monika (unten) und dem Heiligen Antonius (oben). Auf der anderen Aussenseite des Altars ist die Grabplatte des 1693 gestorbenen Antonio Miroballo mit der Darstellung seiner Büste vom neapolitanischen Künstler Lorenzo Vaccaro. Auf der Krone des Altars ist die Darstellung des Segenden Christus in einer Ghirlande von tragenden Engeln und der Darstellung des Heiligen Petrus und Paulus und der Skulptur des Erzengel Michel über der Krone.
Auf dem Weg zur di Somma-Kappelle
Dem Miroballo-Altar folgend sehen wir Fresken mit Geschichten des Heiligen Nikolas aus Tolentino eines aus Kampanien stammenden Künstlers aus der ersten Hälfte de 15. Jahrhunderts. Heute wurde hier auch die ursprunglich in der Nische des Eingangsbereichs stehende Skulptur der Madonna mit Kind ausgestellt. Der Zugang zur di Somma-Kappelle wurde zwischen zwei weiteren Kappellen eingerichtet. Die rechte Kappelle ist von der Familie Giraldi aus dem Jahr 1601 und wurde vom römischen Künstler Ludovico Righi mit Hilfe des aus Carrara stammenden Felice de Felice eingerichtet und enthält in der zentralen Nische eine Madonna mit Kind des Michelangelo Naccherino, die starke Einflüsse des Pietro Bernini aufzeigt. Auf der anderen Seite befindet sich der Altar der Reinigung des Tempels (Purificazione), der von Giulia Caracciolo einrichten wurden liess und die Skulptur ihres Ehemanns Biagio Marsicano von den neapolitanischen Künstlern Annibale Caccavello aus dem Jahr 1567 und eine Darstellung der Opferung Jesu im Tempel in der oberen Nische enthält.
Die di Somma Kappelle
Die di Somma Kappelle ersetzt den ursprünglichen Zugang zur Kirche und wurde von den neapolitanischen Künstlern Annibale Caccavello und Giovan Domenico d’Auria zwischen 1557 und 1566 eingerichtet und durch zwölf korinthische Säulen in 12 Bereiche aufgeteilt. Die Freskendekoration der Kappelle stammt von Aniello Bifulco und Guglielmo Pepe da Tolo. In der Mitte der Kappelle sehen wir das Grabmahl mit Basreliefs unter dem liegenden Scipione di Somma, königlicher Berater des Karl V., wobei der obere Bereich der Dekoration des Sarkophags mit der Darstellung des Christi und des Ewigen Herrn und der Madonna Assunta von Caccavello und der untere Bereich mit den Aposteln von D’Auria gefertigt wurde. Hinter der liegenden Figur des Scipione ist noch ein Relief mit der Darstellung des Erlösers zu erkennen.
Zum Ausgangsbereich
Die letzte Kappelle, direkt links vom Eingangsbereich gelegen, tragt den Namen der Schmerzensmutter (Vergine Addolorata) und wurde von Zanobia Revertera im 18. Jahrhundert restauriert und stellt damit den einzigen barocken Bereich der San Giovanni a Carbonara Kirche dar. Auf der rechten Seite liegt die Gründerin der Kappelle, während gegenüber ihr verstorbener Ehemann Francesco d’Eboli, Hauptgenereal unter Karl dem Borbonen, von ihr bestatten wurden liess. Vor dem Ausgang ist noch ein Fresko mit der Darstellung der Verkündigung aus der Mitte des 15. Jahrhunderts von Giovanni da Gaeta zu erkennen, das womöglich durch die Arbeiten im 18. Jahrhundert an der Nebenkappelle teilweise beschädigt wurde.
Erleben Sie mit mir oder einem meiner qualifizierten Kollegen die Stadt Neapel bei einer Führung. Gerne können Museen, Kirchen oder andere Besonderheiten individiduell ins Programm eingefügt werden.
Weitere Informationen zu den Monumenten der Stadt Neapel finden Sie auch in der Kategorie in meinem Blog.