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Neapel und Kampanien in der Literatur

Goethe über die Vorurteile und die vielen Müßiggänger in Neapel

Der gute und brauchbare Volkmann nötigt mich, von Zeit zu Zeit von seiner Meinung abzugehen. Er spricht z.B., daß dreißig- bis vierzigtausend Müßiggänger in Neapel zu finden wären, und wer spricht’s ihm nicht nach! Ich vermutete zwar sehr bald nach einiger erlangter Kenntnis des südlichen Zustandes, daß dies wohl eine nordische Ansicht sein möchte, wo man jeden für einen Müßiggänger hält, der sich nicht den ganzen Tag ängstlich abmüht. Ich wendete deshalb vorzügliche Aufmerksamkeit auf das Volk, es mochte sich bewegen oder in Ruhe verharren, und konnte zwar sehr viel übelgekleidete Menschen bemerken, aber keine unbeschäftigten.

Ich fragte deswegen einige Freunde nach den unzähligen Müßiggängern, welche ich doch auch wollte kennenlernen; sie konnten mir aber solche ebensowenig zeigen, und so ging ich, weil die Untersuchung mit Betrachtung der Stadt genau zusammenhing, selbst auf die Jagd aus.

Strassenmusikanten am Werk in der lebendigen Altstadt von Neapel

Ich fing an, mich in dem ungeheuren Gewirre mit den verschiedenen Figuren bekannt zu machen, sie nach ihrer Gestalt, Kleidung, Betragen, Beschäftigung zu beurteilen und zu klassifizieren. Ich fand diese Operation hier leichter als irgendwo, weil der Mensch sich hier mehr selbst gelassen ist und sich seinem Stande auch äußerlich gemäß bezeigt. Ich fing meine Beobachtung bei früher Tageszeit an, und alle die Menschen, die ich hie und da stillstehen oder ruhen fand, waren Leute, deren Beruf es in dem Augenblick mit sich brachte.

Die Lastträger, die an verschiedenen Plätzen ihre privilegierten Stände haben und nur erwarten, bis sich jemand ihrer bedienen will; die Kalessaren, ihre Knechte und Jungen, die bei den einspännigen Kaleschen auf den großen Plätzen stehen, ihre Pferde besorgen und einem jeden, der sie verlangt, zu Diensten sind; Schiffer, die auf dem Molo ihre Pfeife rauchen; Fischer, die an der Sonne liegen, weil vielleicht ein ungünstiger Wind weht, der ihnen auf das Meer auszufahren verbietet. Ich sah auch wohl noch manche hin und wieder gehen, doch trug meist ein jeder ein Zeichen seiner Tätigkeiten mit sich. Von Bettlern war keiner zu bemerken als ganz alte, völlig unfähige und krüppelhafte Menschen. Je mehr ich mich umsah, je genauer ich beobachtete, desto weniger konnt’ich, weder von den geringen noch von der mittleren Klasse, weder am Morgen noch den größten Teil des Tages, ja, von keinem Alter und Geschlecht, eigentliche Müßiggänger finden.

Johann Wolfgang von Goethe, den 28. Mai 1787

Goethe war einer der größten Schriftsteller und Dichter der Geschichte Deutschlands und ist auch international anerkannt. Goethe reist im Alter von 37 Jahren im Jahr 1786 über etwa 2 Jahre bis 1788 das erste Mal nach Italien. Ein interessanter Bericht von Goethe über die Vorurteile, Geschäftstätigkeiten und den Müßiggang in Neapel zum Ende des 18. Jahrhunderts im borbonischen Neapel. Ein Vergleich zum heutigen Neapel ist sicherlich schwierig, da sich die Stadt und die Ausgangslage sicher verändert hat, auch wenn bis heute ähnliche Vorurteile vorherrschen. Vielleicht kann ein Vergleich zur kulturellen Verankerung im Umgang mit der Arbeit der Stadt Neapel in der Zeit Goethes mit dem heutigen Neapel oder deutschen Großstädten verglichen werden, in diesem Fall sollte man es aber auch heute, trotz der momentanen hohen Arbeitslosigkeit in der Stadt und der gesamten Region Kampaniens, versuchen es wie Goethe es damals gemacht hat: mit einem sympathischen und offenen Blick, der Vorurteile aus einer anderen Perspektive beobachten möchte!

Weitere Berichte und Zitate über Neapel und die Region findet ihr in meinem Blog.

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Goethes Bootsfahrt nach Pozzuoli

Eine Wasserfahrt bis Pozzuoli, leichte Landfahrten, heitere Spaziergänge durch die wundersamste Gegend von der Welt. Unterm reinsten Himmel der unsicherste Boden…

Der herrlichste Sonnenuntergang, ein himmlischer Abend erquickten mich auf meiner Rückkehr; doch konnte ich empfinden, wie sinneverwirrend ein ungeheurer Gegensatz sich erweise. Das schreckliche zum Schönen, das Schöne zum Schrecklichen, beides hebt einander auf und bringt eine gleichgültige Empfindung hervor. Gewiss wäre der Neapolitaner ein anderer Mensch, wenn er sich nicht zwischen Gott und Satan eingeklemmt fühlte.

Johann Wolfgang von Goethe, Neapel, 1787

Goethe in Italien, Tischbein

Goethe war einer der größten Schriftsteller und Dichter der Geschichte Deutschlands und ist auch international anerkannt. Goethe reist im Alter von 37 Jahren im Jahr 1786 über etwa 2 Jahre bis 1788 das erste Mal nach Italien.

Der Golf von Neapel gilt für viele als eine der bekanntesten Landschaften die wir kennen und war besonders im 18. Jahrhundert ein Sehnsuchtsziel durch die damals mögliche Erreichbarkeit. Goethe hatte sicherlich das Glück, diese Landschaft bei seinem Ausflug nach Pozzuoli an einem besonders schönen Tag und faszinierenden Sonnenuntergang beobachten zu können. Bei klarer Luft und einem intensiven Abendlicht gibt natürlich auch der Golf von Neapel mit seinen vielen Farben und der faszinierenden Geologie sein schönstes Bild ab. Der Bezug zu Gott und Satan, oder dem “von Teufeln bewohntem Paradies”, ist ein öftermals vorgekommene Beschreibung der so schönen aber auch vulkanischen und feurigen Landschaft als auch zur etwas verrückten, chaotischen und lebendigen Stadt Neapel und ihren Einwohnern. Der berühmte neapolitanische Philosoph Benedetto Croce, aber auch viele Einwohner heute, legen allerdings auch viel Wert darauf diese romantische aber auch etwas dramatische Bild der Besucher zu verändern.

Das Zitat von Goethe über die Neapolitaner und Sankt Januarius, über die empfundene Ruhe in den lauten Strassen Neapels sowie weitere Berichte und Zitate über Neapel und die Region finden Sie in meinem Blog.

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Goethe und die Ruhe in den lauten Strassen Neapels

Zwischen einer so unzählbaren und rastlos bewegten Menge durchzugehen, ist gar merkwürdig und heilsam. Wie alles durcheinander strömt und doch jeder einzelne Weg und Ziel findet. In so großer Gesellschaft und Bewegung fühl‘ ich mich erst recht still und einsam; je mehr die Straßen toben, desto ruhiger werd‘ ich.

Johann Wolfgang von Goethe, Neapel, 1787

Goethe war einer der größten Schriftsteller und Dichter der Geschichte Deutschlands und ist auch international anerkannt. Goethe reist im Alter von 37 Jahren im Jahr 1786 über etwa 2 Jahre bis 1788 das erste Mal nach Italien.

Das Leben in den Quartieri Spagnoli bedeutet oft eine Mischung aus Autos, Händlern und Menschen auf engem Raum

Dieser recht kurze Ausschnitt aus der italienischen Reise weist auf Goehtes Gefühl über die Widersprüche der Stadt Neapel hin. In der lebendigen und chaotischen Masse kann man manchmal das Gefühl bekommen ein einsamer Beobachter oder zum Zuschauer eines spontanen Theaterstücks zu werden. Das mediterrane Italien, mit dem offenen und lauten Leben auf den Straßen und den Plätzen, öffnet sich Goethe besonders in der süditalienischen Metropole Neapel.

Das Zitat von Goethe über die Neapolitaner und Sankt Januarius sowie weitere Berichte und Zitate über Neapel und die Region findet ihr in meinem Blog.

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Goethe und das Blutwunder des Sankt Januarius

“Hier wissen die Menschen gar nichts voneinander, sie merken kaum, daß sie nebeneinander hin und her laufen; sie rennen den ganzen Tag in einem Paradiese hin und wider, ohne sich viel umzusehen, und wenn der benachbarte Höllenschlund zu toben anfängt, hilft man sich mit dem Blute des heiligen Januarius, wie sich die übrige Welt gegen Tod und Teufel auch wohl mit – Blute hilft oder helfen möchte.”

Johann Wolfgang von Goethe, Neapel, 1787

Sankt Januarius auf einem Bild mit den zwei Blutampullen

Goethe war einer der größten Schriftsteller und Dichter der Geschichte Deutschlands und ist auch international anerkannt. Goethe reist im Alter von 37 Jahren im Jahr 1786 über etwa 2 Jahre bis 1788 das erste Mal nach Italien. Die Epoche ist sehr glücklich für Neapel, die unter Karl III und Ferdinand IV einige interessante Reformen hervorgebracht und durch die wiedergefundenen antiken Stätten von Pompeji und Herkulaneum europaweit große Neugier erweckt hat. Neapel war damals nach Paris zweitgrößte Stadt Europas, der revolutionäre Geist der französischen Revolution war noch nicht ausgebrochen.

Dieser kurze Aufschnitt befaßt sich mit dem Blutwunder des neapolitanischen Schutzpatrons Sankt Januarius (San Gennaro): der Legende nach wurde die Lava des Vesuvs 1631 durch die Büste des heiligen Januarius aufgehalten und wurde erst circa 300 Jahre vorher Schutzpatron von Neapel, anstelle des römischen Dichters und Magiers Vergil. Goethe ist von den vielen Gegensätzen der Stadt überrascht und bezeichnet den Golf von Neapel oft als Paradies – mit höllischen Einflüssen. In Neapel war der Glaube das der Schutzpatron Hilfe gegen den Vesuv bringen könnte weit verbreitet und Goethe scheint es nicht zu überraschen, daß es hier durch das Blut des Sankt Januarius passieren soll.

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